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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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daraus einen Satz zu basteln.
    »Der LE-2 ist nicht gekommen.«
    »Nicht?«
    Anand drehte sich um und lächelte: »Nein. Das war der LE-1, mit dem Sie gestern eingetroffen sind.«
    »Das weiß ich. Und wo ist der gewesen? Zwischenzeitlich?«
    »Zwischenzeitlich?«
    »Wovon redest du eigentlich?«, fragte Lynn.
    »Na, von –« Julian stockte. Auf dem Bildausschnitt war tatsächlich nur ein Zug zu sehen. Eine dunkle Ahnung beschlich ihn, dass es genau der Lunar Express war, der sie hergebracht hatte. Was im Umkehrschluss bedeutete –
    »Heute Morgen ist doch ein Zug hier eingelaufen«, beharrte er trotzig.
    Seine Tochter und Lawrence wechselten einen raschen Blick.
    »Welcher denn?«, fragte Lawrence, als ginge sie über Glas.
    »Na, der da.« Julian zeigte ungeduldig auf den Bildschirm.
    Schweigen.
    »Bestimmt nicht«, versuchte es Anand erneut. »Der LE-1 hat den Bahnhof seit seiner Ankunft nicht mehr verlassen.«
    »Ich hab ihn aber gesehen.«
    »Julian –«, begann Lynn.
    »Als ich aus dem Fenster schaute!«
    »Dad, du kannst ihn nicht gesehen haben!«
    Hätte sie ihn wissen lassen, den Zug vorübergehend an eine Dutzendschaft Aliens ausgeliehen zu haben, er wäre weniger beunruhigt gewesen. Noch vor Stunden hatte er alles einer Sinnestäuschung zuschreiben wollen. Jetzt nicht mehr.
    »Der Reihe nach«, seufzte er. »Heute Morgen habe ich Carl Hanna getroffen, okay? Um halb sechs im Korridor, und da –«
    »Was, bitte schön, hast du um halb sechs im Korridor gemacht?«
    »Das ist doch jetzt egal! Zuvor jedenfalls –«
    Hanna? Genau, Hanna! Er musste Hanna fragen. Vielleicht hatte der ja den ominösen Zug gesehen. Schließlich war er noch vor ihm unten gewesen, exakt zu der Zeit, als –
    Moment mal. Hanna war ihm vom Bahnhof entgegengekommen.
    »Nein«, sagte er zu sich selbst. »Nein, nein.«
    »Nein?« Lynn legte den Kopf schief. »Was, nein?«
    Verrückt! Völlig absurd. Warum sollte Hanna geheime Spritztouren mit dem Lunar Express unternehmen?
    »Kann es sein, dass du geträumt hast?«, hakte sie nach. »Halluziniert?«
    »Ich war wach.«
    »Schön, du warst wach. Um noch mal darauf zurückzukommen, was du um halb sechs –«
    »Senile Bettflucht! Herrgott, ich war spazieren.«
    Sein Blick suchte die Monitorwand ab. Wo war der Kanadier? Da, im Mama Killa Club . Lümmelte sich, Cocktails schlürfend, auf einem Diwan, in Gesellschaft der Donoghues, Nairs und Locatellis.
    »Vielleicht hat Julian ja recht«, sagte Dana Lawrence nachdenklich. »Vielleicht haben wir tatsächlich was übersehen.«
    »Quatsch, Dana, nein.« Lynn schüttelte den Kopf. »Wir wissen beide, dass kein Zug fuhr. Ashwini weiß es auch.«
    »Wissen wir es wirklich?«
    »Nichts wurde geliefert, niemand ist irgendwohin gefahren.«
    »Das können wir schnell rausfinden.« Lawrence trat zur Monitorwand und öffnete ein Menü. »Wir müssen uns nur die Aufzeichnungen ansehen.«
    »Lächerlich. Absolut lächerlich!« Lynns Mimik verspannte sich. »Dafür müssen wir uns keine Aufzeichnungen ansehen.«
    »Ich weiß beim besten Willen nicht, warum du dich so dagegen sperrst«, wunderte sich Julian. »Lass uns doch einen Blick darauf werfen. Das hätten wir gleich tun sollen.«
    »Dad, wir haben hier alles im Griff.«
    »Wie man's nimmt«, sagte Lawrence. »Tatsächlich ist es an mir, hier alles im Griff zu haben, nicht wahr, Lynn? Dafür haben Sie mich eingestellt. Ich trage die Hauptverantwortung für die Sicherheit Ihres Hotels und das Wohlbefinden Ihrer Gäste, und Magnetbahnen, die sich selbstständig machen, stehen dazu in Opposition.«
    Lynn zuckte die Achseln. Lawrence wartete einen Augenblick, dann gab sie mit huschenden Fingern Befehle ein. Ein weiteres Fenster öffnete sich, zeigte das Innere der Bahnhofshalle. Der Zeitcode wies den 27. Mai 2025 aus, 05:00 Uhr morgens.
    »Sollen wir noch weiter zurückgehen?«
    »Nein.« Julian schüttelte den Kopf. »Es war zwischen Viertel nach fünf und halb sechs.«
    Lawrence nickte und ließ die Aufzeichnung im Zeitraffer ablaufen.
    Nichts geschah. Weder verließ der LE-1 die Halle, noch fuhr der LE-2 ein. Gütiger Himmel, dachte Julian, Lynn hat recht. Ich halluziniere. Er suchte ihren Blick, und sie wich aus, sichtlich gekränkt, dass er ihr nicht einfach geglaubt hatte.
    »Tja«, murmelte er. »Na ja. – Tut mir leid.«
    »Keine Ursache«, sagte Lawrence ernst. »Hätte ja sein können.«
    »Hätte es eben nicht«, knurrte Lynn. Als sie ihn endlich ansah, flackerten ihre Pupillen vor Wut.

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