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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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keine Fragen mit der Schnelligkeit hatte stellen können, mit der sie aus den Kleidern gesprungen waren, doch irgendwann würde er sie fragen müssen. Vor allen Dingen würde er sich fragen müssen. Was viel schlimmer war, denn die Antwort kannte er jetzt schon, und sie war nicht die eines sechzigjährigen Mannes.
    Er versuchte es herauszuzögern, kam.
    Der Höhepunkt gipfelte in einer kurzzeitigen Auslöschung alles Gedachten, fegte seine Hirnwindungen frei und kräftigte die Gewissheit, dass alt immer noch zwanzig Jahre älter war als er. Einen Moment lang fühlte er sich gebadet in purem, köstlichem Jetzt. Nina kuschelte sich an ihn, und sofort keimte sein Argwohn wieder auf. Als sei der Sex nur die lustvoll formulierte Präambel zu stapelweise Kleingedrucktem gewesen, ein prächtiges Portal, durch das man stehenden Fußes ins Kinderzimmer gelangte, ein perfides Überrumpelungsmanöver. Ratlos betrachtete er den blonden Schopf auf seiner Brust. Nicht, dass er sie fortwünschte. Eigentlich wollte er nicht, dass sie ging. Es hätte schon gereicht, dass sie sich einfach in die Astronautin zurückverwandelte, deren Job es war, seine Gäste zu unterhalten, ohne dieses feuchte Versprechen in ihren Augen, ihn nie wieder allein zu lassen, ab jetzt immer für ihn da zu sein, ein Leben lang! Mit spitzen Fingern kraulte er das flaumige Gefieder ihres Nackens, peinlich berührt von sich selbst.
    »Ich müsste mal in die Zentrale«, murmelte er.
    Unwirsche, dumpfe Laute stellten sein Ansinnen infrage.
    »Na ja, in zehn Minuten«, räumte er ein. »Duschen wir?«
    Im Badezimmer setzte sich der allgegenwärtige Luxus der Ausstattung fort. Einem generös geschwungenen Düsenkranz entsprang tropisch warmer Regen, Wassertropfen so leicht, dass sie eher herniederschwebten als fielen. Hedegaard bestand darauf, ihn einzuseifen, und investierte ein Übermaß an Schaum auf kleiner, wenngleich expandierender Fläche. Seine Sorge, vereinnahmt zu werden, machte neuerlicher Erregung Platz, die Duschkabine prunkte mit Geräumigkeit und allerlei praktischen Haltegriffen, Hedegaard drängte sich an ihn und er sich in sie, und – zack! – waren wieder dreißig Minuten vergangen.
    »Ich muss aber jetzt wirklich«, sagte er ins Frotteehandtuch.
    »Sehen wir uns später noch?«, fragte sie. »Nach dem Dinner?«
    Er hatte Frottee in den Augen, Frottee in den Ohren. Er hörte sie nicht, jedenfalls nicht laut genug, und als er nachfragen wollte, telefonierte sie mit Peter Black wegen irgendwas Technischem. Rasch schlüpfte er in Jeans und T-Shirt, drückte ihr einen Kuss auf und entwischte, bevor sie das Gespräch beenden konnte.
    Sekunden später betrat er den Kontrollraum und fand Lynn in gedämpfter Unterhaltung mit Dana Lawrence. Ashwini Anand programmierte auf einer dreidimensionalen Karte Routen für den kommenden Tag. Die Hälfte des Raumes wurde von einer holografischen Wand beherrscht, deren Sichtfenster die öffentlichen Bereiche des Hotels aus der Perspektive von Überwachungskameras abbildeten. Lediglich die Suiten unterlagen keiner Beobachtung. Im Pool planschten Heidrun, Finn und Miranda um die Wette, beobachtet von Olympiada Rogaschowa, deren Mann im Fitnessstudio mit Evelyn Chambers einen Wettstreit im Stemmen kolossaler Gewichte vom Zaun gebrochen hatte. Die Außenkameras zeigten Marc Edwards und Mimi Parker beim Tennis, jedenfalls vermutete Julian, dass es Marc und Mimi waren, während die Golfer jenseits der Schlucht soeben den Heimweg antraten.
    »Alles in Ordnung bei euch?«, fragte er betont munter.
    »Bestens.« Lynn lächelte. Julian fiel auf, dass sie irgendwie kalkig aussah, als werde sie als Einzige im Raum von einer anderen Lichtquelle beschienen. »Wie war euer Ausflug?«
    »Streitbar. Mimi und Karla haben die Paarungsgewohnheiten höherer Wesen debattiert. Wir brauchen ein Teleskop auf dem Mons Blanc.«
    »Um ihnen dabei zuzusehen?«, fragte Lawrence ohne Anzeichen von Belustigung.
    »Quatsch, um das Hotel besser sehen zu können. Oh Mann! Ich dachte, hier oben fallen sich alle vor Ergriffenheit in die Arme, stattdessen hauen sie sich den Heiligen Geist um die Ohren.« Sein Blick wanderte zu dem Fenster, das den Bahnhof zeigte. »Ist der Zug schon wieder weg?«, fragte er beiläufig.
    »Welcher Zug?«
    »Der Lunar Express. Der LE-2, meine ich, der letzte Nacht gekommen ist. Ist er schon wieder abgefahren?«
    Lawrence starrte ihn an, als habe er ihr einen Haufen Silben vor die Füße geworfen und sie aufgefordert,

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