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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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man werde sie zu gegebener Zeit über Fortschritte bei den Ermittlungen in Kenntnis setzen. Keowa fuhr ihre Antennen für Nichtgesagtes aus und konstatierte, dass es keine Fortschritte gab, bedankte sich, nahm den nächsten Flug zurück nach Juneau und wies ihre Redaktion von unterwegs an, ihr sämtliches Filmmaterial über den Zwischenfall in Calgary zusammenzustellen. Nach der Landung beorderte sie einen Praktikanten in ihr Büro und erklärte ihm, wonach sie zu suchen hätten.
    »Mir ist klar«, sagte sie, »dass die Polizei alle Aufnahmen hundertmal gesichtet und analysiert hat. Also sehen wir sie uns weitere hundert Male an. Oder zweihundert Mal, wenn es hilft.«
    Sie breitete einige Ausdrucke auf ihrem Schreibtisch aus, die den Platz vor dem Hauptsitz von Imperial Oil zeigten. Zum Zeitpunkt des Attentats hatte der gegenüberliegende Gebäudekomplex bereits monatelang leer gestanden, nachdem ein Unternehmen für Tagebau-Technologie kläglich darin verendet war.
    »Die Polizei schlussfolgert aus einer ganzen Reihe von Gründen, dass der Schuss aus dem mittleren der drei Gebäude abgefeuert wurde, die übrigens alle untereinander verbunden sind. Wahrscheinlich aus einem der oberen Stockwerke. Der Komplex verfügt über Vorder-, Seiten- und Hintereingänge, es gibt also etliche Möglichkeiten, hinein- und wieder hinauszugelangen.«
    »Du glaubst im Ernst, wir entdecken etwas, das den Bullen entgangen ist?«
    »Sei Optimist«, sagte Keowa. »Erwache und lache.«
    »Ich hab das Material vorgesichtet, Loreena. Fast alle Kameras waren auf die Menge und die Tribüne gerichtet. Erst nach dem Attentat sind einige so schlau gewesen, auf den Komplex rüberzuschwenken, aber du siehst niemanden rauskommen.«
    »Wer sagt denn, dass wir uns auf den Komplex konzentrieren? Das macht schon die Polizei. Ich will, dass wir uns die Menge auf dem Platz vornehmen .«
    »Du meinst, der Killer ist von dort ins Haus gegangen?«
    »Ich meine, du bist ein kleiner Chauvinist. Es könnte auch eine Killerin gewesen sein, oder?«
    »'ne Killerschlampe?«, kicherte der Praktikant.
    »Mach weiter so, und du lernst eine kennen. Nimm dir jede einzelne Figur auf dem Platz vor. Ich will wissen, ob jemand vor, während und nach dem Anschlag das Gebäude gefilmt hat.«
    »Oh Mann! Die reinste Sklavenarbeit.«
    »Heul nicht. Schmeiß dich ran. Ich nehme mir Youtube, Myspace, Smallworld und so weiter vor.«
    Nachdem der Praktikant mit der Sichtung begonnen hatte, war sie darangegangen, eine Liste aller signifikanten Entscheidungen zusammenzustellen, die Palstein während der letzten sechs Monate getroffen oder vertreten hatte. Ebenso protokollierte sie seinen Widerstand gegen die Interessen anderer. Sie loggte sich in Foren und Blogs ein, verfolgte die Internet-Diskussion über die Schließungen, Befriedigung auf der einen, hilflose Wut auf der anderen Seite, verbunden mit dem Wunsch, den Ölleuten die Fresse zu polieren, sie am besten gleich an die Wand zu stellen, doch keiner dieser Einträge legte den Verdacht nahe, dass ihr Urheber mit dem Anschlag in Verbindung stand. Die Menschen im Umfeld des Tagebaus waren verbittert, andererseits froh, dass die Sache ihr Ende fand, besonders in den indianischen Gemeinden. Ihr fiel auf, dass die Chinesen sich während der vergangenen zwei Jahrzehnte sehr für kanadische Ölsande interessiert und eine Menge Geld in den Tagebau gesteckt hatten, das ihnen nun verloren ging, und dass sie ungeachtet der Helium-3-Revolution immer noch, wenn auch in schwindendem Maße, auf Öl und Gas angewiesen waren. Andererseits gab es inzwischen so viel billiges Öl zu kaufen, dass alles andere sinnvoller erschien, als es ausgerechnet im unrentabelsten aller Verfahren zu gewinnen. Als sie schließlich in den frühen Morgenstunden keine weitere Pressemitteilung und kein weiteres Posting mehr fand, legte sie eine Akte über Orley Enterprises an, genauer gesagt über Palsteins angestrebte Beteiligung bei Orley Energy und Orley Space.
    Und dabei kam ihr mit einem Mal ein Gedanke.
    Hundemüde ging sie daran, die frisch geschlüpfte Theorie mit Argumenten hochzupäppeln. So besonders neu war sie eigentlich gar nicht: Jemand versuchte, Palsteins Engagement bei Orley zu unterminieren. Nur dass sie plötzlich die glasklare Gewissheit hatte, der Sinn des Anschlags habe darin bestanden, Palstein an seiner Reise zum Mond zu hindern.
    Wenn das zutraf –
    Nur, aus welchen Gründen? Was hätte Palstein dort mit Julian Orley zu besprechen gehabt,

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