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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hätte schwören können –«
    Dass es eine Maske ist.
    Eine Maske, um verborgene Inhalte im scheinbar harmlosen Kontext der Seiten freizulegen. Ein Decodierungsprogramm. Erneut zog er es auf die spanische Webseite, wieder entglitt es.
    »Na schön, Freunde Islands. Mal sehen, was ihr zu bieten habt.«
    Und diesmal geschah es.
    Im Moment, da er das Schlangensymbol auf den Blog zog, öffnete sich ein zusätzliches Fenster. Es enthielt wenige, scheinbar zusammenhanglose Worte, doch sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen:
     
    Jan in Geschäftsadresse: Oranienburger Straße 50, unverändert ein dass er von ob so Aussage Umsturzes Regierung vom Zeitpunkt Donner zu Es ist
     
    »Ich wusste es! Ich wusste es!«
    Jericho ballte die Fäuste. Die Erregung des Ermittlers brach sich Bahn. Das Schlangensymbol war ein Schlüssel. Wer immer in den Seiten Botschaften untergebracht hatte, verwendete einen speziellen Algorithmus, und die Parameter dieses Algorithmus steckten in der Maske. Er öffnete die Seite mit dem Beitrag über Quantenschaum und wiederholte die Prozedur. Das Fragment ergänzte sich um weitere Worte:
     
    Jan in Andre betreibt Geschäftsadresse: Oranienburger Straße 50, 10117 Berlin, unverändert ein hohes, dass er Kenntnis von ob von So oder so würde Aussage Umsturzes chinesische Regierung hat vom Zeitpunkt der und der Donner zu liquidieren. Es ist
     
    Es ist? Was auch immer es war. Das hier eignete sich weit eher, um jemanden zu alarmieren, der im Fokus staatlicher Überwachung stand! Was sich vordergründig wie blanker Dadaismus ausnahm, war in Wirklichkeit Teil einer umfangreicheren Nachricht, deren Wortlaut sich auf eine unbekannte Zahl von Briefkästen verteilte.
    Jericho überlegte. Tote Briefkästen gab es so lange, wie Staaten und Institutionen einander hinterherspionierten und Agenten es vermeiden mussten, zusammen gesehen zu werden. In Zeiten des Kalten Krieges hatten sie das Rückgrat der Nachrichtenübermittlung gebildet. Nahezu alles kam infrage, Mülleimer, Astlöcher, Ritzen im Mauerwerk, öffentlich ausliegende Telefonbücher, Zeitschriften in Wartezimmern, Vasen und Zuckerdosen in Restaurants, Spülkästen öffentlicher Toiletten. Der Briefkasten war ein für jedermann zugänglicher Ort, an dem man etwas hinterlegte, das im Zweifel jeder sah, aber nur Eingeweihte als Nachricht erkannten. Sender und Empfänger einigten sich auf einen Zeitraum, der Sender deponierte, was er zu übermitteln gedachte – Dokumente, Mikrofilme, Lösegeldforderungen, journalistisch brisantes Material –, hinterließ an einer vereinbarten Stelle ein Zeichen, dass etwas im Briefkasten wartete, und machte sich davon. Wenig später erschien der Empfänger, entnahm die Sendung, hinterließ seinerseits ein Zeichen, dass sie abgeholt worden war, und ging ebenfalls seiner Wege. Das System hatte Bestand gehabt, solange man auf den physischen Austausch von Hardware angewiesen war. Seit im Internet verschlüsselte Nachrichten übertragen wurden, waren sie aus der Mode gekommen und den Fällen vorbehalten, da das Weiterzuleitende beim besten Willen nicht durch ein Glasfaserkabel passen wollte.
    So wenigstens stellte es sich dar.
    Tatsächlich feierte der tote Briefkasten eine beispiellose Renaissance, insbesondere dort, wo elektronische Verschlüsselung verboten oder mit der Auflage verbunden war, bei der Netzpolizei einen Zweitschlüssel zu hinterlegen. Die neuen toten Briefkästen waren harmlose Dateien und Webseiten, die jedermann aufrufen konnte. Was sie enthielten, war unerheblich, solange sich der Inhalt für die Übertragung der Botschaft eignete. Ein Satz, bestehend aus zwölf Wörtern, konnte in zwölf Teile zerlegt und auf zwölf Webseiten verteilt werden. Wort eins, Der, Die oder Das, mochte in der zweiten Zeile irgendeines Reiseberichts vorkommen, Wort zwei in der sechsten Zeile des dritten Absatzes eines wissenschaftlichen Fachartikels, Wort drei in den ungefilterten Ergüssen eines Teenagers, und wo ein Wort partout nicht auftauchen wollte, zerlegte man es eben in einzelne Buchstaben, die immer vorkamen.
    Allerdings konnte niemand etwas mit den Dateien anfangen, solange er nicht im Besitz eines Schlüssels war, der die Wörter oder Buchstaben aus ihrem Kontext herauslöste und zu neuem, geheimem Sinn verband, einer Maske, ähnlich wie es sie früher gegeben hatte, als sich der Bibel oder den Werken Tolstois die erstaunlichsten Inhalte entlocken ließen, einfach indem man eine an verschiedenen Stellen

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