Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
staatlichen Sicherheit, die mit Mühe und unter Einsatz etlicher Bots die riesige Netzmetropole unter Kontrolle hielt. Möglicherweise waren die Reptiloiden einfach nur ein paar Hacker, die geduldet wurden, vielleicht auch getarnte Beamte von Cypol. Außerirdische tummelten sich mittlerweile in allen Netzmetropolen, was die Möglichkeiten des Handels enorm erweiterte. In der Regel verbargen sich dahinter Software-Unternehmen, die dem Umstand Rechnung trugen, dass virtuelle Universen immer neue Reize bieten mussten. Die astralen Lichtgestalten vom Aldebaran etwa, mit denen man vorübergehend verschmelzen konnte, um in den Genuss unerhörter Klangerlebnisse zu gelangen, waren mittlerweile enttarnt worden als Repräsentanten von IBM.
    Jericho fragte sich, in welcher Gestalt Yoyo erscheinen würde.
    Nach knapp einer Minute erblickte er eine französisch aussehende, zierliche Frau mit großen, dunklen Augen und schwarzem Pagenschnitt über den Platz auf sich zukommen. Sie trug einen smaragdgrünen Hosenanzug und Schuhe mit Pfennigabsätzen. Auf Jericho wirkte sie wie eine Figur aus einem Hollywoodfilm der Sechziger, in dem Französinnen so aussahen, wie amerikanische Regisseure sie sich vorstellten. Jericho, der mehrere Identitäten in Second Life innehatte, war als er selbst erschienen, sodass die Frau ihn sofort erkannte. Dicht vor ihm blieb sie stehen, schaute ihn ernst an und streckte die geöffnete Rechte nach ihm aus.
    »Yoyo?«, fragte er.
    Sie legte den Finger auf die Lippen, ergriff seine Hand und zog ihn mit sich. Vor einem der Blumenrabatte nahe des Metroeingangs blieb sie stehen, ließ ihn los und öffnete eine winzige Handtasche. Der Kopf einer Eidechse, smaragdgrün wie ihr Outfit, lugte daraus hervor. Kurz hefteten sich die goldenen Augen des Geschöpfs auf Jericho. Dann schnellte der schlanke Leib in die Höhe, landete auf dem Boden zu ihren Füßen und schlängelte sich dem Blumenteppich entgegen, wo die Echse innehielt und sich zu ihnen umsah, als wolle sie sich vergewissern, dass sie ihr folgten.
    Im nächsten Moment schwebte eine transparente Kugel von annähernd drei Metern Durchmesser dicht über ihr. Die Echse drehte sich und ließ eine gespaltene Zunge hervorschießen.
    »Augenblick«, sagte er. »Bevor wir –«
    Die Frau zog ihn zu sich heran und gab ihm einen Stoß. Der Schwung beförderte ihn geradewegs ins Innere der Kugel. Er sank in einen Sitz, der eben noch nicht da gewesen war, soweit er sich erinnerte, zumindest hatte die Kugel von außen vollkommen leer gewirkt. Sie sprang ihm nach, nahm neben ihm Platz und schlug die Beine übereinander. Durch den transparenten Boden sah Jericho die Eidechse zu ihnen hinaufschauen.
    Dann war sie verschwunden. An ihrer Stelle hatte sich ein beleuchteter und augenscheinlich bodenloser Schacht geöffnet.
    »'ast du einen schtarken Maggen?« Die Frau lächelte. Sie klang dermaßen französisch, dass es jeden echten Franzosen gegraust hätte beim Gedanken, so zu sprechen.
    Jericho zuckte die Achseln. »Kommt immer drauf an, was –«
    »Gut.«
    Wie ein Stein stürzte die Kugel in den Schacht.
    Die Illusion war so real, dass Jerichos Haut-, Muskel- und Hirngefäße schlagartig kontrahierten und seine Nebennieren stoßweise Adrenalin in die Blutbahn pumpten. Puls und Herzschlag beschleunigten sich. Einen Moment lang war er tatsächlich froh, seinen Magen nicht mit einem ausgiebigen Frühstück belastet zu haben. Rasend schnell ging es abwärts.
    »Mach 'alt die Augen dsu, wenn du's nischt ärträgst«, zwitscherte seine Begleiterin, als habe er eine Beschwerde geäußert. Jericho sah sie an. Sie lächelte immer noch, ein boshaftes Lächeln, wie er fand.
    »Danke, mir gefällt's.«
    Der Überraschungseffekt war verflogen. Ab jetzt konnte er wählen, welcher Empfindung er den Vorzug gab. In einem Hotelzimmer zu sitzen und einen gut gemachten Film anzusehen, oder all dies tatsächlich zu erleben. Mit einer Sensorhaut bekleidet wäre die Wahl schwergefallen, fast unmöglich. Die Häute hoben jede Distanz zur künstlichen Welt auf, während er nur Brille und Handschuhe trug. Seine übrige Ausstattung war in Xintiandi verblieben.
    »Mansche lassen sisch eine Spridse gäben«, sagte die Französin gleichmütig. »Warsdu schon mallin einem Tank?«
    Jericho nickte. In den Großfilialen von Cyber Planet, die von besser gestellten Kunden besucht wurden, gab es mit Kochsalzlösung gefüllte Tanks, in denen man, mit einer Sensorhaut bekleidet, schwerelos schwebte. Die

Weitere Kostenlose Bücher