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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Verunsicherung. Längst nicht jeder in Second Life war ein Agent der Regierung, konnte es aber sein: die alerte Geschäftsfrau, der freundliche Banker, die Stripperin, der willige Sexpartner, das Alien und der geflügelte Drache, der Roboter und der DJ, letztlich ein Baum, eine Gitarre oder ein ganzes Gebäude. Als zusätzliche Konsequenz aus der chronischen Personalknappheit arbeitete die Regierung mit Heerscharen von Bots, Avataren, die nicht von Menschen gesteuert wurden, sondern von Maschinen, die vorgaben, Menschen zu sein.
    Mittlerweile gab es ausgesprochen raffinierte Bot-Programme. Hin und wieder, im Zuge seiner Second Life Missionen, ließ Jericho Diane virtuelle Gestalt annehmen, und sie erschien als winzige, flatternde Elfe, weiß, androgyn, mit insektenartigen, schwarzen Augen und transparenten Libellenflügeln. Ebenso gut hätte sie als verführerische Frau auftreten und echten Kerlen den Kopf verdrehen können, die nicht merkten, dass sie einen Computer anflirteten. In solchen Momenten wurde Diane zum Bot, dem man nur per Touring-Test auf die Spur kommen konnte, ein Verfahren, dem auch 2025 keine Maschine gewachsen war. Jeder konnte den Test durchführen. Es galt, eine Maschine so lange in einen Dialog zu verstricken, bis sie ihre kognitiven Beschränkungen offenbarte und sich als raffiniertes, aber letztlich strohdummes Programm outete.
    Hierin lag das Problem der Bot-Agenten. Ohne echte Intelligenz und Abstrahierungsvermögen waren sie kaum in der Lage, Verhalten und Aussehen virtueller Personen als Codes zu entlarven. Kein Wunder, dass Yoyo und ihre Wächter ihr Augenmerk auf Second Life gerichtet hatten, da sich die dezentrale Struktur des Peer-to-Peer-Netzwerks in idealer Weise zur Einrichtung versteckter Räume eignete, Versender und Adressaten von Daten nicht eindeutig zu ermitteln waren und die Anzahl der Welten ins Uferlose strebte. Faktisch waren lediglich noch die Reiserouten der Daten zwischen den Servern zu rekonstruieren. Die Server selbst arbeiteten vielfach mit elektronischen Türstehern. Wer einen Server besuchte und eingelassen wurde, unterlag der Kontrolle des jeweiligen Webmasters, hingegen konnten Besucher des Servers einander nicht kontrollieren, solange sie nicht über die erforderliche Autorisierung verfügten.
    Webmaster von Cyber-Shanghai war Peking. Hätte Jericho in der virtuellen Metropole über eine Detektei verfügt, wäre er Mieter der chinesischen Regierung gewesen, was hieß, dass die Behörden an seine Türe klopfen und seine elektronische Bude kraft eines Durchsuchungsbefehls auf den Kopf stellen durften (wofür sie zwar einen richterlichen Beschluss benötigten, den man in China aber gern nachreichte). Alleine das war der Grund, warum Jericho nie erwogen hatte, sich mit einem Büro dort niederzulassen.
    Er schaute hinaus auf die blaugrüne Weite.
    Konnte es sein, dass diese Welt tatsächlich von einem Bot-Netzwerk erschaffen worden war? Falls Computer so etwas wie ästhetische Ansprüche entwickelten, waren sie denen menschlicher Wesen wohl nachempfunden und zugleich auf irritierende Weise fremdartig.
    »Und ist die Insel sicher?«
    Yoyo nickte. »Wir hatten den Cyberspace an allen möglichen Stellen angebohrt, um unseren eigenen Planeten zu bauen, und zwar so, dass nicht jeder hingelangen kann. Jia Wei –«, sie stockte, »– hat simultan Millionen Möglichkeiten rechnen lassen. Dazu gehörte, das Protokoll zu modifizieren. Nicht wesentlich, nur eben so, dass Unkundige im Datensalat landen, wenn sie keinen entsprechenden Schlüssel haben. Keine Ahnung, wie viele Varianten wir ausprobiert haben, wir haben sie zufällig generiert, weil wir dachten, die Idee sei neu. Stattdessen landeten wir hier.«
    »Und das Protokoll ist –«
    »Eine kleine grüne Eidechse.«
    Yoyo lächelte. Es war das gleiche traurige Lächeln, das er schon von Chen Hongbings Aufnahme kannte.
    »Natürlich protokolliert der Server von Cyber-Shanghai den Eingriff, aber ohne Alarm zu schlagen. Er registriert nicht, dass sich für kurze Zeit ein elektronisches Wurmloch öffnet, durch das man in eine Art Paralleluniversum entwischt. Für ihn geschieht nicht mehr, als dass jemand eine Tür aufmacht und wieder schließt.«
    »Ich dachte mir so was.« Jericho nickte. »Und wer ist dann Irma La Douce? Ein Bot?«
    »Hey!« Yoyo hob überrascht die Brauen. »Du kennst Irma La Douce?«
    »Natürlich.«
    »Ach du Schande! Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wer das ist, als Daxiong damit ankam.«
    »Ein

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