Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
Daten der Nachricht aus, schnitt den Rest ab und warf ihn weg. Niemand kam auf die Idee, im Weißen Rauschen nach weiteren Inhalten zu suchen, weil dort nichts zu finden wäre.
    Hier setzte die Idee an. Wer immer sie zum ersten Mal gehabt hatte, sie war und blieb genial. Eine geheime Botschaft wurde so codiert, dass sie wie Weißes Rauschen aussah, sodann gegen das echte Weiße Rauschen getauscht und wie ein blinder Passagier mit auf den Weg geschickt. Nur ein Problem galt es dabei zu lösen. Man musste die Nachricht selbst verschicken, oder aber Zugriff auf den Rechner des Absenders haben. Zwar sprach nichts dagegen, blinde Passagiere in eigenen Zügen reisen zu lassen. Wer allerdings einmal auffällig geworden war, dessen E-Mail-Verkehr oblag ständiger Beobachtung. Organe wie Cypol mochten überfordert sein, dumm waren sie nicht, also stand zu befürchten, dass sie vielleicht doch im Weißen Rauschen nachschauen würden.
    Aber es gab eine Lösung, nämlich, den E-Mail-Verkehr anderer zu nutzen. Zwei Dissidenten, die einander eine konspirative Botschaft zukommen lassen wollten, brauchten dafür jeder einen Router oder illegalen Bahnhof, um durcheilende Datenzüge zu stoppen, und natürlich mussten sie sich auf denselben Zug einigen. Das konnten die Geburtstagsglückwünsche des Herrn Huang aus Shenzen an seinen in Peking lebenden Neffen Yi sein, beides wohlbeleumundete Bürger, über die von Staats wegen nur Gutes zu berichten war. Herr Huang also schickte die Glückwünsche ab, ohne zu ahnen, dass sein Zug gleich darauf Zwischenstation bei Dissident eins machte, der das Weiße Rauschen entnahm, gegen die getarnte Botschaft austauschte und den Zug wieder losschickte. Bevor dieser jedoch Yi erreichte, wurde er ein weiteres Mal angehalten, diesmal von Dissident zwei, der die Botschaft entnahm, entschlüsselte, wieder durch echtes Weißes Rauschen ersetzte, und nun endlich ging es zum Neffen nach Peking, der von Herrn Huangs Wertschätzung in Kenntnis gesetzt wurde, ohne dass einer der beiden ahnte, welchem Zweck sie gedient hatten. Das Ganze weckte Assoziationen an ahnungslose Touristen, denen am Flughafen Drogen ins Gepäck geschmuggelt und zu Hause unbemerkt wieder entnommen wurden, mit dem signifikanten Unterschied, dass die Drogen während des Transports nicht Aussehen und Beschaffenheit der eingepackten Unterhosen annahmen.
    »Natürlich waren wir nicht so naiv anzunehmen, wir hätten den Trick erfunden«, sagte Yoyo. »Trotzdem ist alles wahrscheinlicher, als ausgerechnet eine Mail zu erwischen, in der schon jemand sitzt.«
    »Und wessen offizielle Mail hast du abgefangen?«
    »Kam von irgendeiner Behörde.« Yoyo zuckte die Achseln. »Ministerium für Energie oder so.«
    »Woher genau?«
    »Warte mal – es war – war –« Sie zog die Stirn kraus und setzte eine trotzige Miene auf. »Okay, ich weiß es nicht.«
    »Wie bitte?« Jericho sah sie ungläubig an. »Du weißt nicht, wer –«
    »Herrgott, es ging doch lediglich um einen Test! Einfach mal sehen, ob ich reinkomme!«
    »Und was hast du geschrieben?«
    »Irgendwas halt.«
    »Komm schon! Was?«
    »Ich hab –« Sie schien den Satz mehrfach zu kauen, bevor sie ihn Jericho vor die Füße spuckte: »Catch me if you can.«
    »Catch me if you can?«
    »Rede ich mongolisch? Jahaa!«
    »Warum denn das?«
    »Warum denn das?«, äffte sie ihn nach. »Ist doch egal. Weil ich's cool fand, darum.«
    »Sehr cool. Bei einem Test –«
    »Oh Mann!« Sie verdrehte die Augen. »Es – sollte – keiner – lesen!«
    Jericho seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Na gut. Und weiter?«
    »Das Protokoll war auf Echtzeit ausgelegt. Mail stoppen, Rauschen entnehmen, eigene Nachricht reinschreiben, verschlüsseln, weiterleiten, alles simultan. – Also, ich schreibe und merke im selben Moment, da ist schon was drin! Dass ich gar kein Weißes Rauschen entnommen habe, sondern irgendwelches geheimnisvolles Zeugs.«
    »Weil jemand das Gleiche versuchte wie du.«
    »Ja.«
    Jericho nickte. Fairerweise musste er zugeben, dass Yoyo diese Entwicklung nicht hatte voraussehen können.
    »Aber da war die Mail schon wieder unterwegs«, sagte er. »Und zwar zu dem, für den das geheimnisvolle Zeugs bestimmt war. Bloß dass es nie dort ankam, weil du es entnommen und ausgetauscht hattest.«
    »Unwissentlich.«
    »Egal. Stell dir das mal vor. Die warten auf eine komplexe, geheime Information. Stattdessen lesen sie: Catch me if you can.« Jericho konnte nicht anders. Er hob die Hände und

Weitere Kostenlose Bücher