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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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aufgewirbelt hast? Die Partei ist es gewohnt, in Dissidentenkacke zu treten. Dafür schleifen sie dich vielleicht in den Knast, aber sie schicken niemanden wie Kenny.«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Ich konnte doch nicht –«
    Jericho biss sich auf die Lippen. Er war drauf und dran, einen Fehler zu machen. Yoyo die Schuld am Tod der anderen zuzuschanzen, war ebenso unfair wie dumm.
    »Es tut mir leid«, sagte er schnell.
    Sie schniefte, ging einen Schritt hierhin, einen nach dort, zerteilte mit bebenden Händen die Luft.
    »Vielleicht hätte ich – ich hätte –«
    »Nein, schon gut. Du kannst nichts dafür.«
    »Wäre ich bloß nicht auf diese bescheuerte Idee gekommen!«
    »Erzähl mir davon. Was hast du gemacht?«
    »Nichts wäre passiert. Es ist meine Schuld, ich –«
    »Ist es nicht.«
    »Doch!«
    »Nein, Yoyo, du kannst nichts dafür. Erzähl mir, was du gemacht hast. Was ist in der Nacht geschehen?«
    »Ich hab das alles nicht gewollt.« Ihre Lippen bebten. »Ich bin schuld, dass sie tot sind. Alle sind tot.«
    »Yoyo –«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. Jericho trat hinzu, ergriff sanft ihre Handgelenke und versuchte sie herunterzuziehen. Sie riss sich los und stolperte von ihm weg.
    Hinter ihm ertönte ein tiefes, kehliges Knurren.
    Was war das jetzt wieder? Langsam drehte er sich um und schaute in die goldenen Augen eines riesigen Bären.
    Sehr eindrucksvoll, dachte er.
    »Daxiong?«
    Der Bär bleckte die Zähne. Jericho rührte sich nicht. Das Vieh war gut und gerne so groß wie ein mittleres Pony. Natürlich drohte ihm von der Simulation keine Gefahr, nur wusste er nicht, welche Impulse von den Handschuhen ausgingen. Sie sorgten für haptische Empfindungen, stimulierten also die Nerven. Würden sie auch Schmerz weiterleiten, falls das Untier auf die Idee kam, seine Finger anzuknabbern?
    »Ist schon okay.« Yoyo war neben ihn getreten. Sie kraulte das Fell des riesigen Tiers, dann schaute sie Jericho an. Ihre Stimme war wieder ruhig, beinahe ausdruckslos.
    »In besagter Nacht haben wir was ausprobiert«, sagte sie. »Einen Weg, Nachrichten zu verschicken.«
    »Via E-Mail?«
    »Ja. Das Ganze war meine Idee. Jia Wei lieferte die Methode.«
    Sie versetzte dem Bär einen Klaps auf die Schnauze. Er senkte den Kopf. Im nächsten Moment war er verschwunden.
    »Es gibt eine Reihe von Aktivisten weltweit, mit denen wir in Kontakt stehen«, fuhr sie fort. »Ohne sie kämen wir nicht an relevante Informationen. Natürlich verbietet es sich, offen in Washington anzufragen, welche Sauereien dein Land gerade ausheckt, und ich bin als Dissidentin registriert, klar?«
    »Klar.«
    »Also, Second Life ist der eine Weg, Cypol auszutricksen. Immer mit 'ner Menge Aufwand verbunden. Gut für Treffen wie unseres, aber ich wollte was Schnelles, Umkompliziertes, einfach um mal eben ein Foto oder ein paar Zeilen durchzuschleusen.« Yoyo starrte auf die Stelle, wo der Bär gestanden hatte. »Und Mails sind ständig unterwegs. Brave, unverdächtige Mails, in denen nichts steht, wovor sich das Politbüro gruselt. Also haben wir versucht, auf fremde Züge zu springen.«
    »Parasiten-Mails?«
    »Huckepack, Parasiten, blinde Passagiere – wie immer man es nennen will. Jia Wei und ich haben ein Protokoll geschrieben, mit dem man Nachrichten in Weißes Rauschen verschlüsseln und wieder decodieren kann, wir haben es bei Daxiong und mir implementiert und beschlossen, einen Test durchzuführen.«
    Allmählich dämmerte Jericho, was in jener Nacht geschehen war. Die Grundidee war geeignet, selbst ausgebuffte Überwachungsprofis zu täuschen. Im Grunde basierte sie auf dem Einmaleins des E-Mail-Verkehrs, wonach Mails zuallererst ein Haufen Daten waren, kleine Reisende, die befördert werden wollten. Also wurden sie in Datenpäckchen gepfercht wie Passagiere in Eisenbahnwaggons, und ebenso wie Waggons besaßen diese Päckchen eine standardisierte Länge. War ein Waggon voll, kam der nächste dran, bis die komplette Nachricht Platz gefunden hatte und verschickt werden konnte, mit der Webadresse des Empfängers als Lokomotive vorne dran.
    Meist allerdings führte die Unterschiedlichkeit der Datenmengen dazu, dass der letzte Waggon nur teilweise besetzt war. Der Hinweis end of message definierte, wo die Nachricht endete, doch weil ein Päckchen nur im Ganzen verschickt werden konnte, blieb meist etwas datenfreier Raum übrig, sogenanntes Weißes Rauschen. Im Moment des Eintreffens las der Empfänger-Computer die offiziellen

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