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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hat, wer dieser Kenny ist und was er will?«
    »Noch einmal: Welchen Auftrag hatten Sie, nach Quyu zu fahren?«
    Und so weiter und so fort.
    Schließlich gab sie auf, lehnte sich zurück und nahm die Brille ab. Sie lächelte, aber ihr Blick säbelte winzige Stückchen aus ihm heraus.
    »Sie sind seit viereinhalb Jahren in Shanghai«, stellte sie fest. »Nach allem, was ich höre, genießen Sie einen ausgezeichneten Ruf als Ermittler.«
    »Das ehrt mich.«
    »Wie gehen die Geschäfte denn so?«
    »Ich kann mich nicht beklagen.«
    »Das freut mich zu hören.« Sie legte die Fingerspitzen aufeinander. »Seien Sie versichert, man schätzt Sie in meinen Kreisen. Sie haben mehrfach erfolgreich mit uns zusammengearbeitet und jedes Mal ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft an den Tag gelegt. Einer der Gründe, warum man Ihre Aufenthaltsgenehmigung hier gerne verlängern, weiter verlängern –«, ihre rechte Hand machte wellenförmige Bewegungen in eine vage Zukunft, »– und immer wieder verlängern würde. Eben weil unser Verhältnis vom Geist der Gegenseitigkeit getragen wird. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Sie haben es präzise formuliert.«
    »Gut. Nachdem das geklärt ist, würde ich Ihnen gerne eine informelle Frage stellen.«
    »Wenn ich sie beantworten kann.«
    »Ich bin sicher, dass Sie das können.« Sie beugte sich vor und senkte vertraulich die Stimme. »Ich würde gerne wissen, was Sie von alldem hielten, wenn Sie an meiner statt hier säßen. Sie verfügen über Erfahrung, Intuition, einen guten Riecher. Was würden Sie denken?«
    Jericho beschloss, ihr nicht auf den Leim zu gehen.
    »Ich würde ein bisschen mehr Druck ausüben.«
    »Oh.« Sie wirkte überrascht, als habe er sie eingeladen, ihn mit brennenden Zigaretten zu foltern.
    »Druck auf mein Team«, setzte er hinzu. »Damit sie alle Energie darauf verwenden, den Mann in die Finger zu bekommen, der für die Übergriffe verantwortlich ist, und seine Hintergründe zu durchleuchten, statt der kruden Idee aufzusitzen, aus Opfern Täter zu machen und mit Abschiebung zu drohen. Reicht Ihnen meine Antwort?«
    »Ich nehme sie zur Kenntnis.«
    Auf Jericho wirkte sie nicht im Mindesten verunsichert. Eindeutig zweifelte sie den Wahrheitsgehalt seiner Aussage an, allerdings wusste sie ebenso gut, dass sie nichts gegen ihn in der Hand hatte. Eher machte er sich Sorgen um die anderen. Praktisch jeder außer ihm schien auf die eine oder andere Weise mit dem Gesetz in Konflikt geraten zu sein, was polizeilicher Willkür Tür und Tor öffnete.
    »Ich möchte noch einmal meinem Mitgefühl Ausdruck verleihen«, sagte sie mit veränderter Stimme. »Sie mussten vieles erdulden. Wir werden alles daransetzen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.«
    Jericho nickte. »Lassen Sie mich wissen, wenn ich helfen kann.«
    Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
    »Seien Sie gewiss, das werde ich.«
     
    »Und?«
    Tu hatte den Raum betreten. Inzwischen war es später Nachmittag geworden. Der Himmel hatte sich bedeckt, leichter Nieselregen ging auf Pudong hernieder. Die Ermittler waren abgezogen.
    »Nichts Neues.« Jericho reckte die Glieder. »Diane verlustiert sich mit den Schweizfilmen. Nebenher versuchen wir, die sechs Webseiten auf einen gemeinsamen Betreiber zurückzuführen. Bis jetzt deutet nichts darauf hin, dass es einen gibt, aber das muss nichts heißen.«
    »Das meine ich nicht.« Tu zog einen Stuhl heran und ließ sich schnaufend darauf nieder. Jericho stellte fest, dass seine Hemdsärmel unterschiedlich hoch aufgekrempelt waren. »Wie lief die Vernehmung?«
    »Wie schon? Sie hat kein Wort geglaubt.«
    »Mir auch nicht.« Auf unerfindliche Weise schien dieser Umstand Tu mit Zufriedenheit zu erfüllen. »Und Yoyo glaubt sie ebenso wenig. Nur Hongbing scheint sie mit Samtpfoten angefasst zu haben.«
    »Natürlich«, murmelte Jericho.
    Schon im Moment, da Chen sein Büro in Xintiandi betreten hatte, war ihm etwas schwer Definierbares aufgefallen, etwas in Chens Augen, in diesem straff gespannten Gesicht, das den Eindruck entstehen ließ, als habe man seine Seele gehäutet. Jetzt wurde ihm klar, was er gesehen hatte, und auch die Frau musste es erkannt haben. Es war unvorstellbar, dass dieser Mann log. Nichts in Chens Zügen war geeignet, eine Lüge darin unterzubringen. Damit war er seiner Umwelt schutzlos ausgeliefert. Er konnte die Unwahrheit nicht ertragen, weder von sich noch von anderen.
    »Tian –«, druckste er.
    »Mhm?«
    »Möglicherweise gibt

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