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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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es ein Problem hinsichtlich unseres weiteren Vorgehens. Versteh mich nicht falsch, es ist nicht –« Er rang nach Worten.
    »Was denn? Raus damit.«
    »Ich weiß zu wenig über dich.«
    Tu schwieg.
    »Zu wenig über dich und Chen Hongbing. Klar, es geht mich nichts an. Nur – um zu beurteilen, welche Gefahr euch von den Behörden droht, müsste ich mir – na ja – ich müsste mir ein Bild machen, aber –«
    Tu kniff die Lippen zusammen. »Verstehe.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass du verstehst«, sagte Jericho. »Du denkst, ich bin neugierig. Falsch. Es ist mir wirklich vollkommen egal, oder nein, nicht egal. Ich achte dein Schweigen. Es geht mich nichts an, was in deiner oder Chens Vergangenheit vorgefallen ist. Aber dann musst du mir sagen, wie wir weiter vorgehen sollen. Du kannst eher einschätzen –«
    »Nein, schon gut«, brummte Tu.
    »Es ist deine Sache. Ich respektiere –«
    »Nein, du hast recht.«
    »Auf gar keinen Fall will ich rücksichtslos –«
    »Genug, xiongdi.« Tu schlug ihm auf die Schulter. »Rücksichtnahme ist der Eckpfeiler deines Wesens, das musst du mir nicht erst auseinanderlegen. Ohnehin denke ich oft darüber nach, unsere Freundschaft mit einer kleinen Lebensbeichte zu vertiefen.« Sein Blick wanderte zur Tür. Irgendwo in den Weiten des Hauses rangen Yoyo und ihr Vater mit Vergangenheit und Zukunft. »Ich fürchte nur, dass ich zurück in den Ring muss.«
    »Um zu schlichten?«
    »Um einzustecken. Yoyo und ich haben beschlossen, reinen Tisch zu machen. Am Ende dieses Tages wird Hongbing im Besitz der ganzen Wahrheit sein.«
    »Wie schmeckt sie ihm bis jetzt?«
    »Hätten wir ihm Eselsscheiße vorgesetzt, würde er größeren Appetit entwickeln.« Tu rülpste. »Aber ich mache mir keine ernsthaften Sorgen. Die Frage ist, wie lange er in seinem Zorn zu brutzeln gedenkt. Früher oder später muss er einsehen, dass man kein Vertrauen gewinnt, indem man seinem Kind längst fällige Antworten verweigert. Er wird Yoyo seinerseits die Wahrheit sagen müssen.« Tu seufzte. »Was dann geschieht, weiß ich allerdings nicht. Es ist ja keineswegs so, dass Hongbing ernsthaft glaubt, ein Teil seines Lebens habe nicht stattgefunden. Er bringt es einfach nicht über sich, einem Menschen davon zu erzählen, den er liebt. Weil er sich schämt. Er ist halt eine alte Krabbe. Und erklär mal einer Krabbe, sie soll ihren Panzer ablegen.«
    »Er wäre die erste Krabbe, die ohne Panzer laufen kann.«
    »Oh, wenn sie jung sind, legen sie ihn öfter ab. Sie häuten sich, um wachsen zu können. Ein gefährliches Unterfangen, weil der neue Panzer in den ersten Stunden noch ganz weich ist. Während dieser Zeit sind sie äußerst verletzlich, leichte Beute, ohne jeden Schutz. Andererseits würde es ihnen sonst zu eng in sich selbst.« Tu stand auf. »Wie gesagt, Hongbing ist eine verdammt alte Krabbe, aber ihm ist definitiv zu eng in seiner Haut. Ich denke, er braucht noch eine weitere Häutung, um nicht eines Tages unter dem Druck seines Inneren in tausend Splitter zu zerbersten.«
    Einen Moment lang ruhte seine Rechte auf Jerichos Schulter. Dann verließ er den Raum.
     
    Der frühe Abend brach herein, muffig und feucht.
    Diane rechnete.
    Jericho stromerte durchs Haus und besuchte Joanna in ihrem Atelier, einem gläsernen Pagodentempel am Ufer des künstlichen Sees, der das Grundstück zentrierte. Es wunderte ihn nicht, sie an einem ihrer großformatigen Porträts arbeiten zu sehen. Joanna hielt wenig davon, händeringend durchs Haus zu laufen, solange ihre Hände anderweitig Verwendung fanden. Sie hatte starke Tageslichtleuchten zugeschaltet und verlieh zwei Szeneschönheiten Tiefe und Kontur, die sich Arm in Arm vor einem Spiegel räkelten und aussahen, als hätten sie drei Tage und drei Nächte durchgetanzt.
    Tu hatte den Wachdienst rund um seine Villa verstärkt und war ins Büro geflogen, nachdem Chen zornesrot in den Gästezimmern des ersten Stockwerks verschwunden war. In der Eingangshalle lief ihm Yoyo über den Weg. Sie wirkte verheult und wedelte bei seinem Anblick mit den Händen, wie um ihm zu bedeuten, dass er ja keine Fragen zu stellen habe. Im Moment, da sie die Freitreppe ersteigen wollte, wurde auf der Balustrade ihr Vater sichtbar, sturmgleich einer Toilette zustrebend, was Yoyo reichte, fluchtartig die Richtung zu wechseln und in den Garten abzuwandern, aus dem Jericho gerade kam.
    Mit einem Mal fühlte er sich fürchterlich deplatziert.
    Tus Butler sah ihn herumstehen und beeilte sich,

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