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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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endlich auch auf die mittleren und unteren Schichten überschwappen, genug, um jedes revolutionäre Gedankengut bis auf Weiteres zu anästhetisieren, doch Obiang sinnt auf Rache.
    Ironischerweise ist es ausgerechnet der Regierungswechsel in Washington, der die Wende einleitet. In gewisser Weise hatte man sich auf Bush ja doch verlassen können, der es an Moral in gleicher Weise mangeln ließ, wie er sie in seinen Reden zu strapazieren pflegte. Barack Obama hingegen, Hohepriester des Change, graust sich über der Vorstellung, hinter verschlossenen Türen mit Kannibalen Frühstückseier zu köpfen. Emsig bemüht, Amerikas ramponiertes Ansehen in der Welt wiederherzustellen, holt er Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte aus der Kloake des Bush'schen Sprachgebrauchs, hört der UN artig zu, wenn von Sanktionen gegen Schurkenregimes die Rede ist, und nervt Obiang mit humanitären Forderungen.
    Im Fanfarengeschmetter gewandelter amerikanischer Rhetorik fällt es wohl nur Obiang selber auf, dass auf São Tomé und Príncipe über Nacht zwei starrend bewaffnete US-Militärbasen entstanden sind, direkt vor seiner Nase. Auch rund um diesen kleinen Inselstaat wird Öl vermutet. Inzwischen liefern sich China und die USA ein offenes Rennen auf dem Ressourcenmarkt. Die Schätze der Erde scheinen einzig dafür bestimmt, zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten aufgeteilt zu werden. Offiziell sollen die Stützpunkte den reibungslosen Öl- und Gastransport im Golf von Guinea sichern, doch Obiang wittert Verrat. Sein Sturz würde den Amerikanern manches erleichtern. Und sie werden seinen Sturz forcieren, solange er weiter mit jeder Hure ins Bett geht, anstatt eine zu heiraten.
    Obiang schaut nach Osten.
    2010 ist Peking zum größten Geldgeber Afrikas aufgestiegen, noch vor der Weltbank. Der Präsident macht zwei geostrategische Gleichungen auf. Die erste lautet: Von China geht die geringste Gefahr eines Putsches gegen ihn aus, solange er die Chinesen im Rohstoffpoker begünstigt. Die zweite besagt, dass von Peking die größte Gefahr eines Umsturzes ausgeht, wenn er es nicht tut, also vergibt er weitere Lizenzen an China, und in Washington schrillen die Alarmglocken. Unverändert sucht man dort die Nähe zu Staaten, die etwas haben, das man selber gerne hätte. US-Repräsentanten reisen zu mauscheligen Treffen unter den triefenden Himmel Malabos. Nach außen hin lupenreiner Kosmopolit, versichert Obiang die amerikanischen Freunde seiner ungeminderten Wertschätzung, während er hintenrum Verträge außer Kraft setzt, Schürfrechte willkürlich umverteilt, Lizenzgebühren anhebt und Stimmung gegen die westlichen ›Ausbeuter‹ macht. Übergriffe auf US-Einrichtungen, Inhaftierungen und Ausweisungen amerikanischer Arbeiter sind die Folge. Washington sieht sich genötigt, Obiang mit Sanktionen und Isolation zu drohen, das Klima verschlechtert sich rapide.
    Dann, im Vollrausch seiner Macht, überspannt Obiang den Bogen. Verschnupft über den Ausbau der amerikanischen Militärstützpunkte, lässt er Marathons Ölstadt »Pleasantville« bei Nacht und Nebel angreifen. Es kommt zu einer regelrechten Schlacht auf der Landspitze Punta Europa, mit Toten auf beiden Seiten. Der Präsident dementiert wie immer jede Beteiligung, äußert tiefe Bestürzung und verspricht, die Schuldigen wie einst sein Onkel entlang der Autobahn ans Kreuz nageln zu wollen. Dabei begeht er den Fehler, die Schuld den Bubi in die Schuhe zu schieben, ein Funken, der in ein Benzinlager fliegt. Vor lauter Geostrategie ist Obiang nämlich entgangen, dass der ethnische Konflikt die Schwelle der Kontrollierbarkeit längst überschritten hat. Die Bubi setzen sich gegen die Anschuldigungen zur Wehr, attackieren Fang des Esangui-Clans, werden von Obiangs Paramilitärs zusammengeschossen, doch diesmal greift seine Einschüchterungstaktik nicht wie gewohnt. Marathon-Leute haben den Leichnam eines gefallenen Angreifers als Offizier der äquatorialguineischen Armee identifiziert, ein linientreuer Fang, noch dazu mit Obiang verschwägert. Washington schließt militärische Schritte nicht aus. Demonstrativ lässt Obiang Amerikaner verhaften und beschuldigt Obama, seinen Sturz zu betreiben, was Bubi-Politiker ermutigt, Signale an Washington zu entsenden. Severo Moto, glückloser Beinahepräsident, der in seinem spanischen Exil kaum mehr zu tun hat, als auf dem Knorpel des Scheiterns herumzukauen, vermittelt die Einzelheiten: Gelänge es, Malabo, die Hauptstadt, unter Kontrolle zu

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