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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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meine das ernst. Ich werde dir das nie vergessen. Das war sehr mutig.«
    Sie wandte den Kopf und sah ihn unter gerunzelten Brauen an.
    »Warum bist du eigentlich ein derartiger Stoffel?«
    »Keine Ahnung.« Jericho betrachtete das Lenkrad »Vielleicht hab ich's einfach nie gelernt.«
    »Was?«
    »Nett zu sein.«
    »Ich glaube, dass du sogar sehr nett sein kannst.« In die verschränkten Arme geriet Bewegung. Sie rutschten ein wenig auseinander. »Weißt du, was ich noch glaube?«
    Jericho hob die Brauen.
    »Dass du am wenigsten nett zu denen bist, die du magst.«
    Er stutzte. Gar nicht dumm.
    »Und wer hat dir bei dieser Erkenntnis auf die Sprünge geholfen?«, fragte er, einen bestimmten Verdacht hegend.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich dachte nur gerade, dass der Spruch von Joanna stammen könnte.«
    »Dazu brauch ich Joanna nicht.«
    »Du hast nicht zufällig mit ihr über mich gesprochen?«
    »Doch«, gab sie geradeheraus zu. »Sie hat mir erzählt, dass ihr zusammen wart.«
    »Und was noch?«
    »Dass du es vermasselt hast.«
    »Ah.«
    »Weil du nämlich auch zu dir nicht nett bist. Zu dir selbst am allerwenigsten.«
    Jericho schürzte die Lippen. Gegenargumente gingen in Stellung, eines fadenscheiniger als das andere. Er zwang sie zurück. Sie hatten weiß Gott anderes zu tun, als im Fundus ihrer Befindlichkeiten zu wühlen, doch irgendwie kam er sich plötzlich so vor, als stünde er mit heruntergelassenen Hosen da. Von Joannas Hand entkleidet und am Nasenring vorgeführt. Yoyo schüttelte den Kopf.
    »Nein, Owen, sie hat nichts Negatives über dich gesagt.«
    »Hm. Ich werde darüber nachdenken.«
    »Tu das.« Sie grinste. Seine Kapitulation schien eine glättende Wirkung auf ihr Gemüt auszuüben. »Ist ja nicht auszuschließen, dass wir uns noch ein paar Mal gegenseitig das Leben retten müssen.«
    »Wie ich schon sagte – jederzeit!« Er zögerte. »Was Nyela angeht –«
    »Mein Fehler. Nachdem ich es versaut hatte, dachte ich, es wäre das Beste, schnell zurückzukommen.«
    Jericho betastete sein Ohr.
    »Ganz ehrlich«, sagte er. »Ich bin froh, dass du es versaut hast.«
     

CALGARY, ALBERTA, KANADA
     
    Durch Calgary zu laufen und das Foto des möglichen Attentäters herumzuzeigen, war ungefähr so, als durchsuche man einen in Verwirrung gestürzten Ameisenhaufen nach einer einzelnen Ameise. Anderthalb Millionen insektenfleißige Diener der Wirtschaft, eben noch damit befasst, Kanadas schnellstwachsende Stadt um immer neue Ausstöße an Gütern, Architektur und schaffensfroher Menschheit zu bereichern, schienen den Sinn für Ziel und Richtung verloren zu haben. Sosehr Keowa die Umrüstung der Energiewirtschaft auf Helium-3 begrüßte, so wenig ertrug sie den erloschenen Blick der Massenarbeitslosigkeit, den Niedergang ganzer Städte und Provinzen, den drohenden Staatsbankrott jener Länder, die ihre Einnahmen fast ausschließlich aus Öl und Gas bestritten. Idealerweise war man im ökologischen Lager immer von einem hübsch verträglichen Wechsel ausgegangen: Mister Fossilosaurus bekommt eine goldene Uhr geschenkt und zieht sich in eine erholsam gelegene Seniorenresidenz zurück, wo er in Melancholie und Würde das Zeitliche segnet, während zehn Milliarden Menschen mit rosenwangiger Begeisterung sauberen Strom aus Helium-3-Reaktoren beziehen. Doch Übergänge waren zu keiner Zeit harmonisch gewesen. Nicht im Kambrium, Ordovizium oder Devon, nicht am Ende von Perm, Trias und Kreide, nicht im oberen Pleistozän mit dem Auftreten einer neuen selbstreflektierenden Spezies namens Mensch, die dem Katalog der Übergangsindikatoren, als da waren Vulkanausbrüche, Meteoriten, Eiszeiten und Epidemien, Kriege und Wirtschaftskrisen hinzufügten. Als Folge ging die wunderbare neue Welt der sauberen Fusion einher mit einer handfesten globalen Wirtschaftskrise, ob es den Erneuerern nun ins Bild passte oder nicht.
    Sie trug ihr Tablett mit Obst, Joghurt und Körnern zu dem Tisch, an dem der Praktikant bereits sein zweites Gebirge aus Pfannkuchen bezwang.
    »Gestern war ja wohl'n Schlag ins Wasser«, sagte er kauend.
    Keowa zuckte die Achseln. Das Westin Calgary hatte den Vorzug, nahe der Imperial-Oil-Zentrale in der 4 Avenue Southwest zu liegen, also hatte sie nach ihrem Telefonat mit Palstein beschlossen, sich und den Jungen dort für eine Nacht einzumieten. Anschließend waren sie den Weg zurückgegangen, den der fette Asiate genommen hatte. Ein entmutigendes Unterfangen. Auf Brufords Video näherte er sich von

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