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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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links, von Norden her. Die meisten Hotels lagen jedoch im Süden, Westen und Osten. In jedem davon konnte er abgestiegen sein, falls er überhaupt ein Hotel bezogen hatte. Möglicherweise lebte er auch in der Stadt. Der asiatische Einfluss ringsum war beträchtlich. Fußläufig zum Bow River, längs der belebten Centre Street, erstreckte sich Calgarys Chinatown, das drittgrößte chinesische Viertel Kanadas nach Vancouver und Toronto. Im Sheraton unweit des Prince‘s Island Park glaubte man sich eines großen, ungepflegt aussehenden Asiaten von einiger Beleibtheit zu entsinnen, nicht aber als Gast. Sie hatten sein Bild in Restaurants und Geschäften herumgezeigt und schließlich dem Calgary International Airport einen Besuch abgestattet, ohne Ergebnis. So erhielt an diesem Morgen nur Keowas Körper gute Nachrichten in Form von Ananas, Sonnenblumenkernen und Magerjoghurt, die ihm signalisierten, dass seine Besitzerin ihn in Schuss zu halten gedachte.
    Als sie gerade aromatisierten Kräutertee nachgoss, meldete sich Sina, die Redakteurin für Gesellschaft und Vermischtes aus Vancouver.
    »Alejandro Ruiz, 52 Jahre alt, zuletzt im strategischen Vorstand von Repsol, genauer gesagt Repsol YPF, wie der Laden korrekt heißt, Hauptsitz in Madrid –«
    »Weiß ich doch schon.«
    »Warte! Marktführer in Spanien und Argentinien, lange Zeit größter privater Energiekonzern überhaupt, mit Schwerpunkt Exploration, Produktion und Raffinerie, außerdem Nummer drei im Flüssiggasgeschäft. Zu keiner Zeit Karten in den alternativen Energien. Dafür werden sie seit zwei Jahrzehnten mit schöner Regelmäßigkeit von den argentinischen Mapuche-Indígenas dafür verklagt, deren Grundwasser zu verschmutzen.«
    Die Klagefreudigkeit der Ureinwohner war Keowa in der Tat neu.
    »Gibt's überhaupt noch Mapuche?«, fragte sie.
    »Oh ja! Sowohl in Argentinien wie in Chile. Auch wenn die chilenische Regierung hartnäckig leugnet, es habe sie überhaupt jemals gegeben, lustig, was? Repsol jedenfalls gehört zu den Konzernen, bei denen die Lichter gleich etagenweise ausgehen. Und Ruiz war nicht nur strategischer Vize, wie ich gestern noch dachte, sondern seit Juli 2022 hauptverantwortlich für die petrochemischen Aktivitäten in 29 Ländern.«
    »Verwunderlich«, sagte Keowa.
    »Wieso?«
    »Ich meine, bei der Ausrichtung des Konzerns. Warum machen die einen, der die Ausweitung auf Solarkraft fordert und komische Worte wie Ethik bemüht, zum strategischen Leiter?«
    »Die meiste Zeit haben sie ihn sich wohl als ökologisches Gewissen geleistet, um nicht ganz so ignorant dazustehen. Aus dem zweiten Glied konnte er bellen, aber nicht beißen. Bloß, Mitte 2022 steuerte der Tanker schon mit Volldampf auf Grund. In dieser Situation hättest du ebenso gut einen andalusischen Esel zum Hauptverantwortlichen machen können. Nachdem klar war, dass Repsol zu den großen Verlierern gehören würde, brauchten sie einen Sündenbock an der Spitze, das war alles.«
    »2022 hatte Ruiz doch gar keine Chance mehr, den Zusammenbruch zu verhindern.«
    »Ich weiß. Dennoch hat er alles Erdenkliche versucht. Sogar, mit Orley Enterprises ins Geschäft zu kommen.«
    »Ach was!«, sagte Keowa verblüfft.
    »Ich hab mir ein paar Videos angesehen. Macht einen sympathischen Eindruck, der Bursche. In Madrid grämen sich seine Frau und seine Töchter über der Frage, ob er je wieder auftauchen wird. Ich schicke dir ihre Kontaktdaten rüber und die einiger Kollegen bei Repsol. Viel Glück.«
    »Du willst Ruiz' Alte anrufen?«, fragte der Praktikant, nachdem sie das Gespräch mit Vancouver beendet hatte.
    Keowa erhob sich. »Was spricht dagegen?«
    »Die Uhrzeit. Außerdem kannst du kein Spanisch.«
    »In Madrid ist es halb fünf am Nachmittag.«
    »Echt?« Er leckte Fett von seinen Fingern. »Ich dachte, in Europa wär immer Nacht, wenn bei uns Tag ist.«
    Keowa setzte zu einer Antwort an, schüttelte den Kopf und ging auf ihr Zimmer. Zu ihrer Freude hatte sie gleich beim ersten Versuch Erfolg. Señora Ruiz zeigte sich verwirrt, vorübergehend abweisend, schließlich kooperativ und vor allem der englischen Sprache mächtig, worauf Keowa insgeheim gehofft hatte, weil sie tatsächlich kein Spanisch konnte. Sie unterhielten sich etwa zehn Minuten lang, danach telefonierte sie mit einem der strategischen Mitarbeiter bei Repsol, der auch privaten Kontakt zu Ruiz gepflegt hatte. Die übrigen Kollegen, deren Nummern Sina für sie herausgesucht hatte, gingen neuerdings den steinigen

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