Limit
hörte er Tu etwas von Überwachungskameras im Museum sagen, dass man ihn längst zur Fahndung ausgeschrieben habe, nirgendwo auf der Welt könne man den Behörden vertrauen. Umso klarer und deutlicher hallten Nelés letzte Worte in ihm nach:
Sie stellen die falschen Fragen. Er ist das Duplikat!
Er ist das Duplikat?
»Mein Gott, wie einfach«, flüsterte Jericho.
»Was ist einfach?«, fragte Tu verwirrt.
Er drehte sich um. Beide starrten ihn an. Da war sie wieder, die verloren geglaubte Zuversicht.
»Ich glaube, ich weiß, wo Vogelaar sein Dossier versteckt hat.«
ADLON
Xin zog den Gedächtniskristall hervor, drehte ihn zwischen den Fingern und lächelte. Nutzloses Wissen. Im Grunde konnte er zufrieden sein. Blind für das altehrwürdige Interieur durchquerte er die Hotellobby, fuhr hoch zu seiner Suite und probierte als Erstes sein Handy aus. Der Hersteller hatte versichert, es sei wasserfest bis in Tiefen von 20 Metern, und tatsächlich funktionierte es wie gewohnt. Beim Blick auf das Display stellte er fest, dass sein Kontakt versucht hatte, ihn zu erreichen, unmittelbar bevor er Vogelaar ins Visier genommen hatte.
»Hydra«, sagte er.
Seine Stimme wurde registriert, überprüft und bestätigt.
»Bei Orley ist eine Warnung eingegangen«, erklärte die Kontaktperson.
»Was?«, explodierte Xin. »Wann?«
»Gestern am späten Nachmittag.«
»Einzelheiten!«
»Ein gewisser Tu hat ein Dokument überspielt. Offenbar eine teilweise Abschrift Ihrer Nachricht.« Der andere holte tief Atem. »Kenny, die müssen es geschafft haben, weitere Teile zu entschlüsseln! Wie konnte das passieren, ich dachte –«
»Was soll das heißen?« Xin begann im Raum auf und ab zu gehen. »Was bedeutet teilweise?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Dann werde ich Ihnen was sagen: Nehmen Sie auf der Stelle sämtliche Seiten aus dem Netz.«
»Damit bricht unsere Mail-Kommunikation zusammen.«
»Mit dem Argument sind Sie mir schon mal gekommen!«
»Zu Recht.«
»Ja, und jetzt sehen Sie, was Sie davon haben.« Xin versuchte sich zu beruhigen. Er öffnete den Kühlschrank der Minibar und begann mechanisch, die Abstände zwischen den Flaschen zu korrigieren. »Die Mail-Idee war gut, um komplexe Informationen auszutauschen und den weltweiten Verteiler zu bedienen, für alles andere reichen die Handys. Die Sache ist gelaufen. Wir können nichts mehr beeinflussen. Alles, was jetzt noch schiefgehen kann, ist, dass meine Nachricht vollständig entschlüsselt wird, also nehmen Sie endlich die Seiten aus dem Netz!« Er machte eine Pause. »Haben Sie ihn schon informiert?«
»Er weiß es.«
»Und?«
Der andere seufzte. »Er teilt Ihren Standpunkt. Er findet auch, wir sollten die Seiten sperren, also werde ich das Nötige veranlassen. Jetzt Sie. Was ist mit Vogelaar?«
»Erledigt.«
»Keine Gefahr mehr?«
»Er hatte ein Dossier angelegt. Einen Gedächtniskristall. Das Ding befindet sich in meinem Besitz. Seine Frau wusste als Einzige darüber Bescheid, sie ist ebenfalls tot.«
»Zur Abwechslung mal gute Nachrichten, Kenny.«
»Ich wünschte, ich könnte dasselbe von Ihren sagen«, versetzte Xin. »Warum höre ich erst jetzt von der Warnung?«
»Weil ich selber erst heute Morgen davon erfahren habe.«
»Wie hat der Konzern reagiert?«
»Mit einem Anruf im Gaia.«
»Wie bitte?« Xin fiel beinahe das Telefon aus der Hand. »Die haben das Gaia verständigt?«
»Beruhigen Sie sich. Wahrscheinlich nur, weil es zurzeit in den Medien ist. Meines Wissens läuft oben alles programmgemäß, keine Ausflüge wurden abgeblasen, niemand will vorzeitig zurück.«
»Und wer hat den Anruf im Gaia entgegengenommen?«
»Ich erwarte stündlich Details.«
Xin starrte in den Kühlschrank.
»Na schön«, sagte er. »Finden Sie in der Zwischenzeit was für mich raus, und zwar schnell. Suchen Sie in Berlin nach Yoyo und Jericho.«
»Was? Die sind in Berlin ?«
»Sie müssen irgendwo abgestiegen sein. Hacken Sie sich in die Buchungssysteme der Hotels, in die Datenbanken der Einreisebehörde, mir egal, wie Sie es machen, aber finden Sie die beiden.«
»Lieber Himmel«, stöhnte der andere.
»Was ist los?«, fragte Xin lauernd. »Verlieren Sie die Nerven?«
»Nein, schon gut. Also okay. Ich werde tun, was ich kann.«
»Nein«, knurrte Xin. »Tun Sie mehr als das.«
HYATT
Unmittelbar, bevor Xins Schüsse ihr Leben beendeten, hatte Nyela die Finger gespreizt, als wolle sie ihren Worten Nachdruck verleihen, eine Geste der
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