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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Schulbüchern mit Bildungsromantik behaftet, tatsächlich eine glitschige Sauerei. Der Mann neben ihm, glatzköpfig und gleichfalls tot, trug wenig dazu bei, das Bild zu verschönern.
    Schnell – nachdem er und die Auswirkungen seines Bleistiftangriffs ausgiebig fotografiert worden waren – hatte man ihn einem hermetisch verschließbaren Plastiksack überantwortet und nach Moabit gefahren, ins rechtsmedizinische Institut der Charité, wo er gewogen, vermessen und die Kartografie seiner körperlichen Merkmale erfasst wurde, bevor man ihn in die Kühlung schob. Lange war er dort nicht geblieben, wieder herausgezogen und mehrfach geröntgt worden. Dabei wurde die Lage der Projektilsplitter in seinem Körper ebenso vermerkt wie längst verheilte Frakturen und ein Knie aus Titan. Außerdem stellte man fest, dass sein linkes Auge von künstlicher Beschaffenheit war. Man verfrachtete ihn in den Sektionssaal, zugleich mit dem Glatzkopf, und stand eben davor, ihn aufzuschneiden, als sich Nyela hinzugesellte. Damit waren drei der fünf Obduktionstische von Toten belegt, deren Identität zunächst zweifelhaft blieb. Während die Obduzenten Vogelaars Organe entnahmen, untersuchten und wogen, die Volumina seiner Körperflüssigkeiten ermittelten, Befunde und Vorgehen protokollierten, verglichen die Beamten der eilig ins Leben gerufenen Sonderkommission Leichenfotos mit solchen, die in den Dateien des Meldewesens gespeichert waren. Der Fahrzeughalter des Wagens, aus dem die weibliche Leiche geborgen worden war, hieß Andre Donner, wie man bald darauf wusste. Er lebte seit einem Jahr in Berlin, war Gastronom und verheiratet mit Nyela Donner, deren amtliche Ablichtung keinen Zweifel mehr an der Identität der Toten ließ.
    Nur der Glatzkopf gab seinen Namen nicht preis.
    Als Donner alias Vogelaar eben wieder zugenäht wurde, ging in der Anmeldung des Sektionshauses ein Anruf des Auswärtigen Amtes ein, wonach seine Ermordung das Interesse chinesischer Behörden auf sich gezogen habe. Schon seit Längerem seien deutsche und chinesische Ermittler einem Ring von Technologieschmugglern auf der Spur. Möglicherweise sei das Hinscheiden des Gastronomen Resultat einer geplatzten Übergabe und Donner gar nicht Donner, sondern jemand ganz anderer, der als Strohmann fungiert habe. Berlin lege großen Wert darauf, die chinesischen Kollegen bei den Ermittlungen nach Kräften zu unterstützen, deren zwei in wenigen Minuten eintreffen würden, um einen kurzen Blick auf die Leiche zu werfen. Man solle doch bitte so freundlich sein.
    Die Doktorandin, die den Anruf entgegennahm, meinte, sie müsse sich rückversichern. Der Anrufer gab ihr seinen Namen und eine Telefonnummer, bat um schnelle Erledigung und legte auf. Als Nächstes sprach die Doktorandin mit der Chefin der Gerichtsmedizin, die sie anwies, sich vom Auswärtigen Amt die Korrektheit der Angaben bestätigen zu lassen und die chinesischen Ermittler in die gesperrten Bereiche zu führen, sobald sie einträfen.
    4-9-3-0- wählte die Doktorandin
     
    und wurde verbunden. Es war tatsächlich die Nummer des Auswärtigen Amts, nur mit der Durchwahl hatte es seine Besonderheit. Sie existierte nicht. Als Folge landete sie nicht dort, wo sie zu landen glaubte, als eine Warteschleifenstimme sagte:
    »Hier ist das Auswärtige Amt. Zurzeit sind alle Leitungen belegt. Der nächstfreie Platz ist für Sie reserviert. Hier ist das Auswärtige Amt. Zurzeit sind –« Woraufhin eine Frau sanft und melodisch übernahm: »Auswärtiges Amt, guten Tag, mein Name ist Regina Schilling.«
    »Institut für Rechtsmedizin der Charité. Verbinden Sie mich bitte mit – ähm –« Die Frau am anderen Ende schien einen Blick auf ihre Notizen werfen zu müssen. »– Herrn Helge Malchow.«
    »Einen Augenblick«, sagte Diane.
    Jericho grinste. Die Protagonisten der Farce, die sich soeben abspielte, hatte er willkürlich aus Vor- und Nachnamen des Berliner Telefonbuchs zusammen gepuzzelt und Diane eine Reihe von Sätzen einprogrammiert, die jeden Zweifel zerstreuen würden, dass die Anruferin tatsächlich das Amt in der Leitung hatte und nicht etwa einen Computer in einem Hotelzimmer. Natürlich war auch Dianes Deutsch einwandfrei.
    »Auf der Leitung von Herrn Malchow wird gesprochen«, teilte Diane der Doktorandin mit. »Möchten Sie einen Moment warten?«
    »Dauert es lange?«
    Jericho tippte mit dem Finger auf die entsprechende Antwort.
    »Nur einen Moment«, sagte Diane, um erfreut festzustellen: »Oh, ich sehe

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