Limit
drückte.
Widerstand. Waren das Muskeln? Das Auge wollte nicht heraustreten, es zog sich im Gegenteil zurück und sonderte Flüssigkeit ab wie ein in die Enge getriebenes Tier.
Nie im Leben war das ein Glasauge.
»Der Schaft ist gesplittert«, erklärte die Doktorandin und trat zum Organtisch zwischen Leiche und Spülbecken, wo auf einer Schale etwas in einer transparenten Plastiktüte lag. Hastig zog Yoyo ihre Finger aus der Orbita, unmittelbar bevor Maas ihr einen beiläufigen Blick zuwarf, wobei sie ein Glitschgeräusch zu hören vermeinte, feucht, vorwurfsvoll und verräterisch. Tu beeilte sich, wieder in Sichtschutzposition zu gelangen. Yoyo schauderte. Konnte die Frau etwas gehört haben? War überhaupt etwas zu hören gewesen, oder hatte sie fantasiert, weil sie fand, beim Verlassen einer Augenhöhle müsse es glitschen?
Der See ihrer Ruhe kräuselte sich. Ihre Finger waren irgendwie klebrig. Jericho hatte danebengelegen! Während Tus Interesse an Frau Maas' Arbeit Blüten trieb, versenkte sie ihre Finger in Vogelaars linker Orbita. Sofort spürte sie, dass der Fall hier anders lag. Die Oberfläche war härter, eindeutig künstlich. Sie drang weiter vor, krümmte Daumen und Mittelfinger. Tu stellte unterdessen gelehrige Fragen über die Waffentauglichkeit von Zeichengerät. Frau Maas meinte fachkundig, alles könne eine Waffe sein, und tat einen Schritt nach links. Tu meinte, da habe sie vollkommen recht, und tat einen Schritt nach rechts. Die Obduzenten am mittleren Tisch waren in Nyela versunken.
Yoyo atmete tief durch, high von Menthol.
Jetzt!
Fast zutraulich flutschte das Glasauge heraus und schmiegte sich in ihre Handfläche. Sie ließ es in ihre Jacke gleiten, schloss notdürftig Vogelaars strapazierte Lider und stellte fest, dass sie ihn nachhaltig verschandelt hatte. Zu spät. Schnell drapierte sie das Tuch über seinem Gesicht und war mit zwei Schritten neben Tu.
»Bezüglich Andre Donners sind alle Zweifel ausgeräumt«, sagte sie auf Englisch.
Tu hielt mitten in einer Frage inne.
»Oh, gut«, sagte er. »Sehr gut. Ich denke, dann können wir gehen.«
»Bis wann brauchen Sie meinen Bericht, Kommissar?«
»Was für eine Frage, Frau Kommissarin! So schnell es geht. Uns steht der Staatsanwalt auf den Füßen.«
Vorhang, Applaus, dachte Yoyo.
»Sie sind fertig?« Svenja Maas schaute vom einen zum anderen, irritiert über die abrupte Vernachlässigung ihrer Person.
»Ja, wir möchten Ihnen nicht weiter zur Last fallen.« Tu lächelte liebenswürdig.
»Sie fallen mir nicht zur Last.«
»Nein, Sie haben recht, es war ein Vergnügen. Auf Wiedersehen, und beste Grüße an Dr. Voss.«
Svenja Maas zuckte die Achseln und brachte sie in den Vorraum, wo sie sich verabschiedete. Tu marschierte voran, wurde auf der Treppe schneller und fegte geradezu durch den Gang. Yoyo stapfte ihm hinterdrein. Der letzte Rest ihrer Ruhe schwand dahin. Um hinauszugelangen, bedurfte es keiner Autorisierung. Sie traten auf den Parkplatz und steuerten den Audi an, als eine dominante Stimme vom Haus aus erklang:
»Herr Tu. Frau Chen!«
Yoyo erstarrte. Langsam wandte sie sich um und sah Dr. Marika Voss auf den Stufen stehen, mit erhobenem Kinn.
Sie haben's gemerkt, dachte Yoyo. Wir waren zu langsam.
»Verzeihen Sie unseren hastigen Aufbruch.« Tu hob entschuldigend die Arme. »Wir wollten uns verabschieden, konnten Sie aber nicht finden.«
»War denn alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Sie haben uns sehr geholfen!«
»Dann bin ich ja froh.« Unvermittelt lächelte sie. »Also, ich hoffe, Sie kommen mit Ihren Ermittlungen gut weiter.«
»Dank Ihrer Hilfe besser denn je.«
»Einen schönen Tag noch.«
Dr. Voss marschierte wieder ins Innere, und Yoyo fühlte sich zu Butter in der Sonne werden. Sie glitt in den Audi und zerfloss auf ihrem Sitz.
»Du hast es?«, fragte Tu.
»Ich hab es«, antwortete sie mit letzter Kraft.
Wenn Svenja Maas auch nicht gerade gekränkt war, so doch einigermaßen verschnupft. Als sie zurück in den Sektionssaal kehrte, nagte der Verdacht an ihr, das Interesse des chinesischen Polizisten könne weniger ihr gegolten haben als vielmehr der Einhaltung asiatischer Umgangsformen. Sie ging zu den hinteren Tischen und bemerkte, dass die junge Chinesin den Leichnam Donners wieder mit dem Tuch abgedeckt hatte, allerdings schlampig. Erbost zupfte sie daran herum, stellte fest, dass es komplett schief hing, und schlug es zurück.
Sofort sah sie, dass etwas nicht stimmte. Vogelaars rechtes
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