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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Auge war ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, doch das linke sah grauenhaft aus.
    Einer düsteren Vorahnung folgend zog sie das Lid hoch.
    Das Glasauge fehlte.
    Augenblicklich wurde ihr heiß und kalt bei dem Gedanken, dass man sie dafür verantwortlich machen würde. Das künstliche Auge hatten sie in seiner Höhle gelassen, aber nur, um es später noch einmal hervorzuholen und einem Experten für Prothetik zu zeigen. Etwas daran war ihnen merkwürdig vorgekommen. Es sah aus, als berge es etwas, möglicherweise eine Mechanik, die es seinem Träger ermöglicht hatte, damit zu sehen, vielleicht auch etwas anderes. Eigentlich waren sie nicht davon ausgegangen, dass es von Bedeutung sein könnte.
    Offenbar hatten sie sich geirrt.
    Wie elektrisiert hastete sie aus dem Saal und die Treppe hoch. Im Flur begegnete sie Dr. Marika Voss.
    »Sind die chinesischen Ermittler noch da?«, fragte sie atemlos.
    »Die Chinesen?« Dr. Voss hob die Brauen. »Nein. Die sind gerade gefahren. Wieso?«
    »Mist. Mist! Mist!!«
    »Was ist los?«, verlangte die ältere Frau zu wissen.
    »Die haben was mitgehen lassen«, jammerte Maas. Verdammte Bastarde, sie dermaßen reinzureißen!
    »Mitgehen lassen?«, echote Voss wie eine Bergwand.
    »Das Auge. Das Glasauge.«
    Die Ärztin war nicht mit im Team gewesen, das Donner obduziert hatte. Von dem Auge konnte sie also nichts wissen, doch sie begriff auch so, dass man sie beide reingelegt hatte.
    »Ich rufe den Pförtner an«, sagte sie.
     
    Der Wagen glitt über die Hauptstraße des Geländes, vorbei an evangelikalem Backstein, an den friedvollen Wegen und Wiesen und den beschirmenden Bäumen.
    »Hey«, sagte Yoyo stirnrunzelnd. »Was ist denn da vorne los?«
    Jemand kam aus dem Pförtnergebäude gelaufen. Der Uniformierte warf die Unterarme hoch, als wolle er ein Flugzeug einwinken. Zugleich senkte sich die Schranke herab. Eindeutig galt die Aufregung ihnen.
    »Schätze mal, wir sind aufgeflogen.«
    »Klasse. Und jetzt?«
    »Liegt ganz an dir.« Tu schaute zu ihr herüber. »Wie gefällt dir Berlin? Willst du noch bleiben?«
    »Nicht unbedingt.«
    »Dachte ich mir«, sagte er, gab Gas und schoss so knapp unter der Schranke hindurch, dass Yoyo sich wunderte, sie nicht übers Dach schrammen zu hören. Hinter ihnen verloren sich die Schreie des Pförtners in der pollengesättigten Frühsommerluft.
     

ADLON
     
    Auf dem Display schimmerte das Symbol der ineinander verschlungenen Reptilienhälse, die alle einem einzigen Körper entwuchsen. Neun Köpfe. Das Zeichen der Hydra.
    Xin riss das Handy ans Ohr.
    »Wir haben die Daten mehrerer führender Berliner Hotels an Sie übermittelt«, sagte der Anrufer. »Bei den kleineren waren wir glücklos. Es gibt irrsinnig viele, überhaupt scheint ganz Berlin aus Hotels zu bestehen. Das Problem ist natürlich, dass wir auf die Schnelle nicht in jeden Rechner eindringen –«
    »Ich hab's begriffen. Und?«
    »Fehlanzeige.«
    »Sie müssen aber irgendwo abgestiegen sein«, beharrte Xin.
    »Nicht in einer der internationalen Ketten. Keine Chen Yuyun, kein Owen Jericho. Dafür kann ich mit Details über die Warnung aufwarten, die gestern in London eingegangen ist. Ich schicke Ihnen den Text zu, wollen Sie ihn zuvor hören?«
    »Her damit.«
    Xin lauschte den Fragmenten jener Zeilen, die er nur allzu gut kannte. Er überlegte, welche Gefahr von dem Brandsatz ausgehen mochte, den Yoyo und Jericho gelegt hatten. Von einem Fragment konnte kaum noch die Rede sein. Fast 90 Prozent der Nachricht hatten sie decodiert. Dennoch war ihnen das Wichtigste, das wirklich Entscheidende, verborgen geblieben. Und nicht Jericho oder das Mädchen, sondern ein Mann namens Tu hatte Edda Hoff angerufen, Nummer drei im Sicherheitsapparat des Orley-Imperiums, von der Xin wenig mehr wusste, als dass sie fantasielos und entsprechend wenig anfällig für Hysterie oder Verharmlosung war.
    »Auf sich allein gestellt, hat Hoff die Unternehmensgruppe von der Eventualität eines Übergriffs in Kenntnis gesetzt, ohne zu verhehlen, dass man eigentlich nichts in Händen halte«, sagte der Anrufer. »Wie jeder im Konzerngewebe wurde also auch das Gaia benachrichtigt, wo man allerdings keine Veranlassung sah, das Programm zu ändern. Hoff scheint in die richtigen Kanäle gefunkt zu haben.« Der Anrufer traute sich nicht, am Telefon Namen zu nennen, obwohl es nahezu unmöglich war, dass jemand auf dieser Leitung mithörte. Andererseits hatte auch niemand erwartet, dass jemand die Huckepack-Codierung in

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