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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Projektionen auf die riesige, konkave Glaswand – näherte sich etwas, pulsierend und durchscheinend, ein organisches Raumschiff mit einem diffusen Kern voller fremdartiger, schattenhafter Passagiere.
    »Das Leben«, sagte eine Stimme, »nahm seinen Anfang im Meer.«
    Tim wandte den Kopf. Ambers Profil erstrahlte geisterhaft im blauen Licht. Verzaubert sah sie zu, wie die Zelle größer wurde und sich langsam zu drehen begann. Die Stimme erzählte von Urgewässern und chemischen Ehen, die vor Milliarden von Jahren geschlossen worden waren. Die einsame Zelle im uferlosen Blau teilte sich, immer rascher erfolgte die Teilung, immer mehr Zellen entstanden, und plötzlich wand sich etwas Langes, Schlangenartiges heran.
    »Vor 600 Millionen Jahren«, sagte die Stimme, »begann das Zeitalter der komplexen, vielzelligen Lebewesen!«
    Während der nächsten Minuten vollzog sich die Evolution im Zeitraffer. Der Tiefeneffekt war so überwältigend, dass Tim unwillkürlich zurückzuckte, als sich ein meterlanges Ungeheuer mit Schreddergebiss und dornenbesetzten Klauen auf ihn zu katapultierte, mit einem Schlag seines gewaltigen Schwanzes die Richtung änderte und statt seiner einen zuckenden Trilobiten verspeiste. Das kambrische Zeitalter entstand und verging vor seinen Augen, gefolgt von Ordovizium, Silur und Devon. Als habe jemand den Suchlauf einer geologischen Fernbedienung gedrückt, wimmelte Leben durchs Blau und vollzog wie im Rausch alle erdenklichen Metamorphosen. Quallen, Würmer, Lanzettfische und Krebse, Riesenskorpione, Tintenfische, Haie und Reptilien wechselten einander ab, aus einem Lurch wurde ein Saurier, das Ganze verlagerte sich an Land, ein strahlender, von Wolken durchzogener Himmel trat anstelle der Meerestiefe, die mesozoische Sonne schien auf Hadrosaurier, Brachiosaurier, Tyrannosaurier und Raptoren, bis am Horizont ein riesiger Meteorit herniederging und eine Welle der Zerstörung aussandte, die alles Leben hinwegfegte. In digitaler Vollendung raste das Inferno heran, dass den Anwesenden der Atem stockte, doch als sich der Staub legte, gab er den Blick frei auf den Siegeszug der Säugetiere, und alle saßen noch unversehrt in ihren Sitzreihen. Etwas Affenartiges hangelte sich durch sommergrüne Gehölze, richtete sich auf, verwandelte sich in einen schnatternden Frühmenschen, bewaffnete und kleidete sich, veränderte Wuchs, Haltung und Physiognomie, ritt ein Pferd, fuhr ein Auto, steuerte ein Flugzeug, schwebte winkend durch das Innere einer Raumstation und durch eine Luke nach draußen, doch anstatt im Weltall zu landen, streckte es sich zu einem Sprung und tauchte wieder ein in die Fluten des Ozeans. Erneut diffuses Blau. Der Mensch, darin schwebend, lächelte sie an, und man war versucht, zurückzulächeln.
    »Man sagt, es zieht uns ins Wasser, weil wir dem Wasser entstammen und zu über 70 Prozent daraus bestehen. Und tatsächlich kehren wir immer wieder zu unseren Ursprüngen zurück. Doch liegen diese Ursprünge einzig im Meer?«
    Das Blau verdichtete sich zu einer Kugel und schrumpfte zu einem winzigen Wassertropfen im schwarzen Nichts.
    »Wenn wir auf die Suche nach unseren Anfängen gehen, müssen wir sehr weit zurück in die Vergangenheit schauen. Denn das Wasser, das über zwei Drittel der Erde bedeckt und aus dem wir gemacht sind –«, die Stimme legte eine bedeutungsschwangere Pause ein, »– kam aus dem Weltraum.«
    Stille.
    Mit ohrenbetäubendem Orchestereinsatz flog der Wassertropfen auseinander, funkelte millionenfach, und plötzlich hing alles voller Galaxien, aufgereiht wie Tautropfen auf den Fäden eines Spinnennetzes. Als säßen sie in einem Raumschiff, näherten sie sich einer einzelnen Galaxie, steuerten hinein, passierten eine Sonne und schwebten weiter, ihrem dritten Planeten entgegen, bis er als feurige Kugel vor ihnen hing, bedeckt von einem Ozean aus kochender Lava. Krachend schlugen Himmelskörper ein, während die Stimme erklärte, wie das Wasser mit Meteoriten aus den Tiefen des Alls auf die Erde gekommen sei, samt einer Vielzahl organischer Verbindungen. Sie wurden Zeuge, wie sich ein zweiter Ozean aus Wasserdampf über die Lavasee legte. Das Ganze fand seinen Höhepunkt, als ein riesiger Planetoid heranraste, unwesentlich kleiner als die junge Erde und Theia mit Namen. Die Magmakammer erbebte bei der Kollision, Trümmer flogen in alle Richtungen davon, und auch dies überstand die Erde, nunmehr an Masse und Wasser reicher und im Besitz eines Mondes, der sich aus

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