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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Flucht raste er auf den Shuttle zu, brachte den Rover unterhalb des Hecks zum Stehen, sprang aus dem Sitz und hastete zum Schleusenschacht, der dem Unterleib der Ganymed wie ein monströser Geburtskanal entsprang. Erst in letzter Sekunde, ein Bein schon in der Kabine, hielt er inne und wandte Locatelli sein spiegelndes Visier zu.
    »Elende Drecksau!«, schrie Locatelli und trotzte dem Elektromotor nie zuvor vollbrachte Leistungen ab. »Warte nur, warte!«
    Der Astronaut langte in Höhe seines Oberschenkels und förderte das lange, flache Ding zutage.
    Windstille legte sich über seinen inneren Oceanus Procellarum. Algerisches und italienisches Erbgut suchten das Weite und hinterließen einen waschechten, rational denkenden Amerikaner, dem endlich klar wurde, in welch ungünstige Position ihn sein Leichtsinn gebracht hatte. Er sah sich selbst durch die Augen seines Feindes, das Fadenkreuz praktisch auf den Helm gemalt, eine einzige Einladung, abzudrücken –
    »Scheiße«, flüsterte er.
    Wie glühenden Stahl ließ er das Steuer fahren, sprang aus dem Rover, schlug einen Salto und schlitterte über den glatten Asphalt davon, während das Fahrzeug führerlos und ungebremst weiterraste, geradewegs auf die Ganymed und den Astronauten zu. Ein greller Blitz überstrahlte die kalte, weiße Sonne am Himmel. Der Rover wurde in die Höhe gerissen, stellte sich aufrecht und spuckte Teile seines Gestänges, Verkleidungssplitter, Fetzen von Goldfolie und elektronische Bauteile nach allen Seiten. Instinktiv schlug Locatelli die Arme über dem Helm zusammen. Neben ihm pflügten Trümmer Schneisen in den Asphalt. Hastig rollte er auf den Rücken, sah im Hochkommen eines der Räder wild eiernd heranschießen, katapultierte sich aus dem Weg und kam auf die Beine.
    Nicht mit ihm. Nicht mit ihm!
    Geduckt und in Erwartung des Schlimmsten rannte er über das Landefeld, doch sein Gegner war verschwunden. Im Schleusenschacht sah er die beleuchtete Kabine hochfahren. Minuten noch. Er durfte nicht zulassen, dass der Mörder die Ganymed stahl und sie in der Einöde zurückließ. Ohne Rücksicht auf die Blessuren, die er sich bei seiner Stunteinlage zugezogen hatte, lief er unter dem Leib des Shuttles hindurch zum Schleusenschacht. Die Kabine war fort, doch die Anzeige leuchtete rot, und solange sie rot war, hatte Black ihnen erklärt, ließ sich der Schacht nicht einfahren. Der Astronaut musste noch in der Schleuse sein, die wahrscheinlich gerade mit Luft geflutet wurde. Gut, sehr gut.
    Locatelli keuchte, wartete.
    Grün!
    Mit der flachen Hand schlug er auf den Rückholknopf.
     
    Hanna verschwendete keine Zeit damit, den Helm abzunehmen, nachdem er die Schleuse verlassen hatte. Er hastete zwischen den Sitzreihen hindurch zum Cockpit. Hatte er Locatelli erledigt? Wahrscheinlich nicht. Der Mann war abgesprungen, Hanna hatte seinen Körper durchs Vakuum fliegen sehen, bevor die Ladung in den Rover geschlagen war. Möglicherweise hatte ihn das Wrack unter sich begraben, oder er war von umherfliegenden Trümmern getroffen worden. Ohne hinter sich zu schauen, rutschte er auf den Pilotensessel und ließ seinen Blick über die Anzeigen schweifen. Die Bedienelemente waren ihm geläufig, vor Monaten schon hatte er Gelegenheit gehabt, sich mit der Funktionsweise aller lunaren Fahrzeuge vertraut zu machen. Dank Hydras perfekter Vorarbeit reichten seine Kenntnisse sogar aus, das Raumschiff zurück in die Umlaufbahn und von dort zur OSS zu steuern, außerdem wäre er nicht allein an Bord, vorausgesetzt, Ebola fand einen Weg, Kontakt zu ihm aufzunehmen, nachdem die Kommunikation blockiert war. Eine Sorge, die er sich wahrscheinlich nicht zu machen brauchte. Ebola würde voraussetzen, dass er es schaffte, und zur gegebenen Zeit am richtigen Ort erscheinen.
    Seine Finger glitten über die Kontrollen.
    Er stutzte.
    Was war das? Der Schacht ließ sich nicht einfahren. Die Anzeige leuchtete rot, was bedeutete, dass die Kabine gerade abgesaugt, mit Atemluft geflutet wurde – oder unterwegs war!
    Rasch drehte er sich um.
    Nein, sie war da, der Innenraum hinter den schmalen Fenstern gleichmäßig beleuchtet und verlassen. Hanna kniff die Augen zusammen. Er zögerte. Ein Impuls drängte ihn, aufzustehen und nachzusehen, doch er durfte sich keine weitere Verzögerung gestatten, und soeben wechselte das Feld von Rot zu Grün.
    Die Ganymed war startbereit.
     
    »Da. Da!«
    Amber zeigte aufgeregt zum Himmel. In weiter Entfernung stieg etwas steil empor, länglich und

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