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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sie sich weigerte, Ihren Vater das Korridor-Video sehen zu lassen – warum hätte sie das tun sollen? Ich meine, warum, wenn sie es doch selber umgeschnitten hat? Ich an ihrer Stelle hätte es ihm voller Stolz unter die Nase gerieben.«
    Tim wirkte dankbar und zugleich eigenartig bedrückt. Unvermittelt wurde ihr klar, dass er Lawrences Meinung mehr zuneigte als ihrer, und dass ihm das zu schaffen machte.
    »Ehrlich gesagt«, lächelte sie scheu, »hab ich mich vorhin gefragt, ob nicht eventuell sogar Sie –«
    »Ach so!« Er grinste. »Nein, ich war's nicht.«
    »Noch mehr Hühnerställe.« Sie lächelte zurück. »Möchten Sie mir Gesellschaft leisten, während ich das Protokoll rekonstruiere?«
    »Nein, ich will mal schauen, wo Lynn sich rumtreibt. Aber rufen Sie mich, wenn Ihnen was auffällt.« Er lächelte. »Sie sind sehr tapfer, Sophie. Kommen Sie klar?«
    »Irgendwie.«
    »Gar keine Angst?«
    Sie zuckte die Achseln. »Komischerweise gilt meine geringste Sorge der Aussicht, in die Luft gesprengt zu werden. Zu unwirklich. Wenn es passiert, dann verschwinden wir eben alle in einem Blitz, aber wir werden wohl kaum sonderlich viel davon mitbekommen.«
    »Mir geht's ähnlich.«
    »Also wovor haben Sie Angst.«
    »Im Moment? Um Amber. Sehr große Angst. Um meine Frau, um meinen Vater –«
    »Um ihre Schwester –«
    »Ja. Auch um Lynn. Bis später, Sophie.«
     
    »Das war aber gar nicht nett«, spottete Heidrun, nachdem die anderen fluchtartig den Poolbereich verlassen hatten. Nur sie und O'Keefe trieben noch im schwarzen Wasser des Kraters, ein Bild zwischen Idylle und Apokalypse.
    »Aber wahr«, sagte O'Keefe und kraulte davon.
    Sie strich sich das nasse Haar hinter die Ohren. Unterhalb der Wasserfläche stauchte sich ihr Körper zu einem knochenfahlen Zerrbild ihrer selbst, an den Rändern in wellenbedingter Auflösung begriffen. O'Keefe zog eine Schneise wie ein Motorboot, entsandte Turbulenzen des Ungemachs nach allen Seiten, nicht verebben wollende Auftürmungen von bemerkenswerter Amplitude, wie ein Schwimmer sie in irdischen Gewässern nicht hätte erzeugen können. Ein Verlustierungsfaktor, ausschließlich Mondreisenden vorbehalten. Delfingleich konnte man sich aus dem Wasser katapultieren und, indem man wieder hineinklatschte, kleine Tsunamis auf die Reise schicken. Man trat in übermütige Opposition zu den Gesetzen der Schwerkraft, doch soeben spiegelte O'Keefes Laune eher das Grau der umgebenden Landschaft. Heidrun streckte sich, tauchte ab, glitt ihm hinterdrein und an ihm vorbei und durchstieß die Oberfläche. O'Keefe sah den Weg zum gegenüberliegenden Kraterrand versperrt und balancierte sich im Wasser aus.
    »Was ist los?«, fragte sie. »Schlechte Laune?«
    »Keine Ahnung.« Er zuckte die Achseln. »Musst du übrigens nicht hoch?«
    »Und du?«
    »Ich bin mit niemandem verabredet.«
    Heidrun überlegte. War sie mit jemandem verabredet? Mit Walo natürlich, aber konnte man den täglichen Magnetismus der Ehe noch als Verabredung bezeichnen?
    »Du hast also keine Ahnung, wie du gelaunt bist.«
    »Weiß nicht.«
    Tatsächlich, schätzte sie, hatte O'Keefe wohl einfach nur keine Ahnung, warum seine Laune so plötzlich übersäuerte. Den ganzen Tag über war er bester Dinge gewesen, hatte sie mit lakonischen Sarkasmen zum Lachen gebracht, eine Begabung, die Heidrun über alle Maßen schätzte. Sie liebte Männer, deren Witz jenem unangestrengten Understatement entsprang, das ihnen den Ritterschlag der Coolness eintrug. Ihrer Meinung nach gab es kaum etwas Erotisierenderes als Lachen, unglücklicherweise eine mit Problemen behaftete Haltung, da der überwiegende Teil des männlichen Geschlechts sie eher intellektuell nachzuvollziehen suchte. Das Ergebnis fiel meist anstrengend und entmutigend aus. Im unentwegten Bemühen, durch Schenkelklopfer zu punkten, verloren die Balzenden den letzten Rest ihres natürlichen Machismo, und es kam noch viel schlimmer. Ihrerseits empfand Heidrun wieherndes Vergnügen beim Sex und hatte schon bei so vielen Orgasmen Lachkrämpfe erlitten, dass die beteiligten Herren im festen Glauben, sie würden ausgelacht, spontane Triebwerkstörungen zu beklagen hatten. Dem Abfall des Lustdrucks folgte die immer gleiche Betretenheit, jedes Mal fühlte sie sich schuldig, aber was sollte sie machen? Sie lachte nun mal gerne. Erst Ögi hatte das verstanden. Auf ihn wirkte Heidruns Naturell weder erektionshemmend noch sonst wie retardierend. Walo Ögi mit seiner gemeißelten

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