Limit
gemacht.
»Diane«, sagte er. »Die Vierte im Bund.«
»Diane?« In dem bärbeißigen Gesicht hob sich eine Braue.
»Mhm. Diane.«
»Verstehe. Ihre Tochter oder Ihre Frau?«
Seitdem war Diane wechselweise mit dem öffentlichen Internet und dem internen, hackergeschützten Netz des Big O verbunden, einem von der Außenwelt abgeschotteten System, in das kein Weg hinein-, allerdings auch keiner herausführte. Shaw hatte ihn kurzerhand autorisiert, auf Teile des konzerneigenen Datenbestands zurückzugreifen, ausgestattet mit einem Passwort, das ihn ermächtigte, der weltweiten Verflechtung des Konzerns, seiner Historie und seiner Mitarbeiterstruktur nachzuspüren. Zugleich, dank Diane, arbeitete er auf vertrautem Terrain. Ohne die Gesellschaft Tus und Yoyos, die den Dicken für die Dauer weniger Minuten hatten besuchen wollen und seit anderthalb Stunden überfällig waren, fühlte er sich bedrückend allein und mit dem Makel der Unerwünschtheit behaftet. Ein Dienstbote, eben gut genug, für andere den Kopf hinzuhalten, nicht aber, dass man ihn freundschaftlich ins Vertrauen zog.
Pah, Freunde! Sollten die beiden sich im Elend suhlen. Endlich wärmte ihn wieder Dianes weiche, dunkle Computerstimme, ungetrübt von jedweder Befindlichkeit.
Er wies sie an, das Netz auf Begriffskonstellationen zu durchforsten, Palstein, Anschlag, Attentat, Attentäter, Mordversuch, Orley, China, Ermittlungen, Erkenntnisse, Ergebnisse, et cetera. Der Initiative des Ölmanagers folgend, hatten die kanadischen Behörden einen umfangreichen Bestand an Bildern und Filmmaterial geschickt, den er, Edda Hoff, ein Mitarbeiter der Abteilung IT-Sicherheit und eine Frau vom MI6 nun gemeinsam auswerteten. Wäre Palstein nur bereit gewesen, ihnen das Video zu überspielen, das angeblich seinen Attentäter zeigte, sie hätten sich die elende Arbeit vermutlich sparen können. Diane schleppte Fundstücke zum Anschlag in Calgary heran wie eine Katze halbtote Mäuse, stocherte dafür, was die restliche Entschlüsselung des Textfragments anging, im Dunkeln. Offenbar war das orkhafte Gemurmel des dunklen Netzwerks verstummt. Im Gegensatz dazu drängte die Flut der Bilder, Berichte, Einschätzungen und Verschwörungstheorien zu Calgary überreich herein, ohne dass etwas Erhellendes dabei zutage trat.
Er ging Jennifer Shaw besuchen.
»Schön, Sie zu sehen.« Shaw saß in einer Videokonferenz mit Vertretern des MI6 und winkte ihn herein. »Falls Sie was Neues haben –«
»Wann sollte das Gaia ursprünglich eröffnet werden?«, fragte Jericho und zog einen Stuhl heran.
»Wissen Sie doch. Vergangenes Jahr.«
»Wann genau?«
»Na ja, wir hatten den Spätsommer ins Auge gefasst, aber solche Projekte leiden unter ihrer Prototypik. Es hätte auch Herbst oder Winter werden können.«
»Und nur wegen der Mondkrise –«
»Nein, nicht nur darum.« Norrington betrat den Raum. »Sie sind hier im Tempel der Wahrheit, Owen. Da geben wir gerne zu, dass es technische Verzögerungen gab. Die inoffizielle Eröffnung war für August 2024 vorgesehen, aber auch ohne Krise hätten wir es kaum vor 2025 geschafft.«
»Also war der Zeitpunkt der Fertigstellung damals nicht absehbar?«
»Warum fragen Sie?«, wollte einer der Leute vom MI6 wissen.
»Weil mich die Frage bewegt, ob die Mini-Nuke nur zu dem Zweck hochgeschafft wurde, das Gaia zu zerstören. Etwas, wovon man zwar wusste, dass, aber nicht, wann es fertig werden würde. Als der Satellit gestartet wurde, war es jedenfalls nicht fertig.«
»Sie haben recht«, sagte der MI6-Mann nachdenklich. »Man hätte mit dem Launch warten können, eigentlich sogar müssen.«
»Warum müssen?«, fragte ein anderer.
»Weil jede Atombombe Strahlung abgibt. Sie können so ein Ding nicht endlos lange auf dem Mond lagern, wo keinerlei Konvektion herrscht, um die Wärme abzutransportieren. Es bestünde Gefahr, dass sich die Bombe überhitzt und vorzeitig zerfällt.«
»Also sollte sie definitiv 2024 gezündet werden«, mutmaßte Shaw.
»Eben das meine ich«, sagte Jericho. »Galt oder gilt sie ausschließlich dem Gaia? Wie viel Sprengstoff braucht man, um ein Hotel in die Luft zu jagen?«
»Eine Menge«, sagte Norrington.
»Aber doch keine Atombombe?«
»Es sei denn, Sie wollen den kompletten Standort kontaminieren, die weitere Umgebung«, sagte der MI6-Mann.
Jericho nickte. »Also was hat es damit auf sich?«
»Mit dem Vallis Alpina?« Shaw überlegte. »Nichts, soweit mir bekannt ist. Aber das muss ja nichts
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