Limit
solcher Krankheiten in Budgets umrechnen würden, flösse der größte Teil der Forschungsgelder in die Dritte Welt. Stattdessen liegt die überwiegende Anzahl aller Malaria-Patente, selbst der viel versprechenden, auf Eis, weil du damit kein Geld verdienen kannst.«
Nair blickte weiterhin auf die ferne Erde, immer noch lächelnd, aber nachdenklicher.
»Ich komme aus einem unvorstellbar großen Land«, sagte er. »Und zugleich aus einem überschaubaren Kosmos. Mein Eindruck war nie, dass es eine einzige Welt gibt, schon darum nicht, weil wir sie gar nicht aus allen Blickwinkeln gleichzeitig wahrnehmen können. Niemand sieht sie als Ganzes, niemand sieht die ganze Wahrheit. Aber wenn man die Welt als eine Vielzahl kleiner, miteinander vernetzter Welten wahrnimmt, die jede von eigenen Regeln bestimmt ist, kann man versuchen, einige davon zu verbessern. Und damit auch ein bisschen das große Ganze. Vor der Aufgabe, die Welt zu verbessern, wäre ich wohl gescheitert.«
»Hast du denn was verbessert?«, fragte Kramp.
»Ein paar der kleinen Welten.« Er strahlte sie an. »Hoffe ich jedenfalls.«
»Du hast Indien mit klimatisierten Einkaufszentren überzogen, ganze Dörfer ans Internet angeschlossen, zigtausend indischen Bauern eine Existenzgrundlage verschafft. Aber hast du nicht auch den internationalen Konzernen Tür und Tor geöffnet, indem du ihnen angeboten hast, sich zu beteiligen?«
»Natürlich.«
»Und haben nicht einige von denen dein Modell dankend aufgegriffen, indisches Land gepachtet und die Bauern durch Maschinen und billige Lohnarbeiter ersetzt?«
Nairs Lächeln fror ein. »Man kann jede Idee pervertieren.«
»Ich will's nur verstehen.«
»Sicher, so was passiert. Das dürfen wir nicht zulassen.«
»Schau, ich bin nicht ganz einverstanden mit deiner Romantisierung der Ungleichheit. Kleine, autarke Welten. Du tust viel Gutes, Mukesh, aber du bist doch der Globalisierer schlechthin. Was ich in Ordnung finde, solange die putzigen kleinen Welten nicht von großen Konzernen –«
»Wollten wir nicht noch aufs Zimmer?«, sagte Borelius.
»Ja, sicher.« Kramp zuckte die Achseln. »Gehen wir. Typisch, dass du mal wieder die Betroffenheitsleier anschlägst und dich dann schämst, wenn ich konkret werde.«
»Wo bleiben eigentlich die anderen?« Sushma schüttelte unruhig den Kopf. »Sie müssten längst da sein.«
»Als wir runtergingen, waren sie noch unterwegs.«
»Das sind sie offenbar immer noch«, meinte Nair. Dann legte er Kramp freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Du hast im Übrigen vollkommen recht, Karla. Wir sollten mehr über solche Dinge reden. Und uns gegenseitig nicht schonen.«
»Soll ich euch sagen, was ich sehe?«, fragte O'Keefe.
Alle schauten ihn an.
»Ich sehe, wie sich zwei Dutzend der reichsten Typen des viel diskutierten Planeten Erde zwischen Malaria und Champagner beengt fühlen und in getreuer Entsprechung der von dir angesprochenen Fehlproportionierung, Eva, auf den Mond ausweichen, wo sie im teuersten Hotel des Sonnensystems zu bemerkenswerten Einsichten finden. – Wisst ihr was? Ich dreh' noch 'ne Runde.«
Thiel hatte Tims Programm installiert und ihn beiläufig gefragt, ob ihm nicht längst die Idee gekommen sei, sie könne die Verräterin sein. Er hatte verdutzt dreingeblickt und dann laut losgelacht.
»Sieht man's mir dermaßen an?«
»Und wie.«
»Na ja –«
»Ich bin's nicht«, sagte sie. »Zufrieden?«
Er lachte wieder. »Wenn Leute aufgrund dieser Aussage aus der Untersuchungshaft freikämen, könnten wir die Gefängnisse zu Hühnerställen umbauen.«
»Sie sind Lehrer, richtig?«
»Ja.«
»Wie oft hören Sie das am Tag?«
»Was? Ich bin's nicht, ich war's nicht?« Er zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Um die Mittagszeit verliere ich für gewöhnlich den Überblick. Also gut, Sie waren's nicht. Haben Sie jemanden in Verdacht?«
Sie senkte den Kopf über die Bedienfläche, sodass die blonden Locken ihren Gesichtsausdruck verbargen.
»Nicht direkt.«
»Sie denken an meine Schwester, stimmt's?« Er seufzte. »Kommen Sie, Sophie, das ist kein Problem, ich bin Ihnen nicht böse. Sie sind nicht die Einzige, die so empfindet. Lawrence hat sich regelrecht eingeschossen auf Lynn.«
»Ich weiß.« Thiel schaute auf. »Ich persönlich glaube aber kein bisschen, dass Ihre Schwester was mit der Sache zu tun hat. Lynn hat dieses Hotel gebaut. Das wäre doch kompletter Schwachsinn. Außerdem, ich hab's mir ja auch nur erzählen lassen, aber als
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