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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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flüsterte Lawrence. »Der Laden hier könnte jeden Moment in die Luft fliegen, und Sie reden davon, das Vertrauen Ihrer Gäste nicht zu missbrauchen?«
    Lynn stierte sie an, schüttelte den Kopf. Chuck näherte sich mit Großgrundbesitzerschritten.
    »Schluss mit dem Theater«, sagte er. »Ich verlange auf der Stelle zu wissen, was hier eigentlich los ist.«
    »Nichts«, versetzte Lawrence. »Wir erwägen nur gerade, Nina Hedegaard mit der Kallisto zum Aristarchus-Plateau zu schicken, falls wider Erwarten doch etwas –«
    »Mädchen, ich bin vielleicht alt, aber nicht verkalkt.« Chuck beugte sich zu Lawrence herunter und brachte seinen Löwenschädel auf Augenhöhe mit ihr. »Unterschätz mich also nicht, klar? Ich leite die besten Hotels der Welt, ich habe mehr von den Kästen gebaut, als du in deinem Leben jemals betreten wirst, also hör auf, mich zu verscheißern.«
    »Keiner verscheißert Sie, Chuck, wir haben lediglich –«
    »Lynn.« Donoghue breitete konziliant die Arme aus. »Bitte sag ihr, sie soll das lassen! Ich kenne diese Verschwörermiene, dieses Getuschel. Die Krise leuchtet ihr doch aus den Augen, also was ist hier los ?«
    Chuck hatte aufgehört, Chuck zu sein. War ein Rammbock geworden, rumms! Versuchte sich Einlass in ihr Inneres zu verschaffen, sie zu überführen, es ihr nachzuweisen, doch sie würde ihn nicht hereinlassen, niemanden in sich hineinlassen, widerstehen! – Julian. Wo war Julian? Weg! So wie er immer weg gewesen war, ihr ganzes Leben lang. Als sie geboren wurde. Als sie ihn brauchte. Als Crystal starb. Als, als, als. Julian? Weg! Alles lastete auf ihr.
    »Lynn?«
    Nicht die Kontrolle verlieren. Nicht jetzt. Den Zusammenbruch, der sich mit der Unvermeidbarkeit einer Supernova ankündigte, hinauszögern, lange genug, um handeln zu können. Lawrence aufhalten, die ihr Feind war. Und alle anderen, die Bescheid wussten. Jeder von denen war jetzt ihr Feind. Sie war ganz allein. Völlig auf sich gestellt.
    »Ihr entschuldigt mich bitte.«
    Handeln musste sie, handeln. Federnd, summend, brummend, brrrrrrrr. Hornissen in Aufruhr, lief sie die Treppe hinunter zum Lift.
     
    Chuck sah ihr mit hängendem Kiefer nach.
    »Was hat sie denn?«
    »Keine Ahnung«, sagte Lawrence.
    »Ich wollte sie doch nicht kränken«, stammelte er. »Ganz bestimmt nicht. Ich wollte doch nur –«
    »Tun Sie mir einen Gefallen, ja? Gehen Sie wieder zu den anderen.«
    Chuck rieb sich das Kinn.
    »Bitte, Chuck«, sagte sie. »Es ist alles in Ordnung. Ich halte Sie auf dem Laufenden, versprochen.«
    Sie ließ ihn stehen und ging Lynn hinterher.
     
    Nicht, dass sich Axel Kokoschka übergewichtig gefunden hätte, nicht so richtig jedenfalls. Andererseits repräsentierte seine Kunst die Vereinbarkeit echter Gourmetküche mit den Erfordernissen einer auf Kalorienverbrennung fixierten Fitness-Gesellschaft. Und daran gemessen war er übergewichtig. Eisern entschlossen, die 15 Kilo, die er hier oben wog, auf mindestens 14 zu reduzieren, benutzte er kaum je die Fahrstühle. Auch jetzt sprang er von Brücke zu Brücke, quälte seinen vierschrötigen Körper Etage für Etage nach oben und nahm die abschließende Stiege bis in den Hals. Der Bereich zwischen Gaias Schultern und Kopf war wenig mehr als ein Zwischengeschoss, in dem die Personenaufzüge endeten, nur der Lasten- und Personalaufzug fuhr weiter bis in die Küche. Wo beim Menschen die seitlichen Halsmuskeln verliefen, mündeten Freitreppen in den darunterliegenden Suitentrakt und schwangen sich in den Kopf mit seinen Restaurants und Bars. Außerdem diente der Hals als Depot für Kugeltanks mit flüssigem Sauerstoff, um Leckagen auszugleichen. Die Tanks lagen kaschiert hinter den Wänden und beanspruchten einigen Platz, sodass nur Gaias Kehlkopf verglast war. Mehrere Sauerstoffkerzen hingen in Wandhalterungen.
    Kokoschka schnaufte. Ohne die Waage bemühen zu müssen, wusste er, dass er in den vergangenen Tagen eher noch zugenommen hatte. Kein Wunder, dass Sophie verhalten auf ihn reagierte. Er musste noch mehr an sich arbeiten, noch öfter ins Studio, aufs Laufband, andernfalls drohten sich fleischliche Kontakte auf Begegnungen mit Filets, Schnitzel und Hack zu beschränken.
    Im Chang'e war niemand. Auch das darüber gelegene Selene genügte sich selbst, ebenso wie die Luna Bar. Den Stimmen nach zu urteilen, saß die Meute ganz oben. Seltsamerweise empfand Kokoschka kaum Angst, trotz der möglichen Todesgefahr. Er konnte sich keine Atombombe vorstellen, auch nicht,

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