Limit
wer der wahre Feind sei. Nur dem Zufall war es zu danken, dass ihr Weg sie rechtzeitig in die Zentrale geführt hatte, andernfalls wäre ihre Enttarnung möglicherweise noch früher erfolgt.
Nun war das Protokoll korrigiert, ohne dass es wahrscheinlich noch eine Rolle spielte. Die Chance, Gäste samt Personal unter dem Vorwand eines Treffens in Gaias Kopf einzusperren und ihnen die Luft abzudrehen, um sich in Richtung Peary abzusetzen, war unwiederbringlich vertan. Sie saß fest.
Lawrence atmete tief in ihre Maske.
Um sie herum summten die Zirkulatoren. Mühevoll kämpften sie mit der rußigen Hinterlassenschaft der Flammen, saugten die giftigen Bestandteile ab und pumpten frischen Sauerstoff in den Trakt. Mehr aus Sportsgeist machte sich Lawrence am Schott zu schaffen, jenseits dessen Rolltreppen durch Gaias Arm in den Untergrund führten, bemühte die Automatik, versuchte es mit Muskelkraft, ohne Erfolg. Wie auch? Die teilweise Vernichtung des Sauerstoffs hatte in dem hermetisch abgeriegelten Bereich einen leichten, aber folgenschweren Unterdruck erzeugt. Bis zu dessen Ausgleich würde sich die Panzerung keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Das gegenüberliegende Schott, hinter dem Gaias nicht kontaminierte Hälfte lag, konnte sie gleich ignorieren. Mindestens zwei Stunden würde es dauern, bis der Druck wiederhergestellt wäre. Zeit genug, sich Grübeleien darüber hinzugeben, wie der verfluchte Detektiv in Hydras Datenbahnen hatte eindringen können. Alle übrigen Rückschläge waren zu verkraften gewesen, etwa, dass die Mobilität des Pakets beim Sturz in den Krater Schaden genommen hatte, oder Julians unvermutetes Auftauchen im Korridor, als Hanna von seinem nächtlichen Ausflug zurückgekehrt war. Lawrence hatte die Daten manipuliert und gekonnt alle Spuren verwischt. Kein Grund zur Panik.
Doch dann war alles aus dem Ruder gelaufen.
Dabei schien Hydra aus der Schlappe mit Thorn erstarkt hervorgegangen zu sein. Statt in Verwirrung zu stürzen, war man übereingekommen, einen zweiten Anlauf zu starten, diesmal mit einem Team. Aus der NASA ließ sich niemand mehr rekrutieren. Thorn war ein Glücksfall gewesen, ein allseits beliebter Schweinehund, in gegenteiliger Entsprechung seiner zur Schau getragenen Kollegialität niemandes Kumpel und bar aller moralischen Prinzipien. Schon vor Jahren hatte Hydra seine Bestechlichkeit gewittert, als er noch in irdischen Simulatoren trainiert hatte, ihn beobachtet und ihm schließlich ein Angebot unterbreitet, das der mittlerweile designierte Kommandant der Mondbasis ohne mit der Wimper zu zucken, dafür jedoch mit der Anregung um Verdopplung zurückgereicht hatte. Nachdem dies kein Problem darstellte, war alles Weitere wie am Schnürchen gelaufen. Im äquatorialguineischen Dschungel gingen die Arbeiten ihrem Ende entgegen, Hydras Einkäufer waren auf dem Schwarzmarkt des internationalen Terrorismus erfolgreich gewesen. Ein Gesamtkunstwerk krimineller Logistik nahm Gestalt an, ersonnen von einem Phantom, dem Lawrence zwar nie begegnet war, dessen Zeremonienmeister sie dafür umso besser kannte.
Kenny Xin, der durchgeknallte Fürst der Finsternis.
Auch wenn er der Psychopath schlechthin und ihr in vielerlei Hinsicht unappetitlich war, konnte sich Lawrence einer gewissen Bewunderung für den Chinesen nicht erwehren. Für die kontinentale und kosmische Brücken schlagende Architektur der Konspiration, deren Teil sie seit einem Jahr war, hätte sich Hydra keinen besseren Statiker wünschen können. Unverzüglich nach Thorns Tod hatte Xin, wie kein anderer vertraut mit dem Pandämonium freischaffender Spione, Ex-Geheimdienstler und Auftragsmörder, Lawrence ins Gespräch gebracht, eine ehemalige Mossad-Agentin, spezialisiert auf die Infiltrierung von Spitzenhotels, was sie in besonderer Weise für das Gaia qualifizierte, und zudem die Idealbesetzung für den kanadischen Investor gefunden, der Julians Vertrauen gewinnen sollte.
Doch wie es schien, hatte der Fürst der Finsternis die Sache nicht mehr richtig im Griff.
Sie fragte sich, wer im Hotel noch lebte. Der Trakt, in dem sie gefangen saß, schien ihr verlassen, allerdings wusste sie nicht, wer im Kopf gewesen war zum Zeitpunkt, als sich der Sauerstoff entzündet hatte. Alle, mit etwas Glück. Weder entsprang ihre Hoffnung einer Vorliebe für Massenmord, noch lehnte sie diesen als funktionsstiftende Maßnahme ab. Das Schicksal der Gruppe war besiegelt gewesen vom Moment an, da Hanna enttarnt wurde. In Kenntnis
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