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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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seiner Fähigkeiten hegte sie keinerlei Zweifel, dass er es bis zur Mondbasis schaffen würde, die Frage war eher, wann mit seinem Eintreffen zu rechnen sei und ob er in der Lage wäre, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Zeit hatte sie ihm verschafft, zwar um den Preis ihrer Kommunikationsfähigkeit, doch was wäre fataler gewesen, als dass Shaw und der Detektiv ihr Wissen über die NASA an die Peary-Basis weitergetratscht hätten? Hannas Chancen standen eindeutig besser, wenn ihn am Nordpol niemand erwartete, um ihn zu stoppen.
    Auch die Blockade der Kommunikation war ein wohl gezielter Pfeil aus Kenny Xins unerschöpflichem Ideenköcher gewesen, vorausschauend in die Sehne gelegt. Ihre verstörten Mitwisser auf die Suche nach der Bombe zu schicken, ein Leichtes. Ebenso wie Tommy Wachowski auszuhorchen, den Stellvertretenden Kommandanten der Basis, selbstverständlich ohne ihn um Hilfe bei der Suche nach der Ganymed zu bitten. Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung hatte man am Pol nichts von einem geplanten Anschlag gewusst, ein klares Indiz dafür, dass weder Shaw noch die NASA rechtzeitig eine Warnung dorthin hatten absetzen können, bevor die Kommunikation zusammengebrochen war. Anschließend hatte sie die Laserverbindung dahingehend manipuliert, dass Anrufe von der Basis ausschließlich auf ihrem Handy empfangen werden konnten. Sodann warten, bis Hanna sich meldete, und das Hotel auf Nimmerwiedersehen verlassen.
    Lediglich der Insassen hätte sie sich zuvor entledigen müssen. Beim besten Willen konnte sie den Haufen nicht mit zum Pol nehmen und riskieren, dass sie vor Hanna dort einträfen und Geschichten über Atombomben verbreiteten. Keiner aus der Gruppe durfte die Basis erreichen!
    Wer hatte überlebt?
    Lynn, dachte sie. Und Tim. Mindestens diese beiden. Sie waren irgendwo im Hotel, möglicherweise in der Zentrale.
    Zeit, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.
     

KAP HERACLIDES, MONTES JURA
     
    Das Verhalten von Körpern im Vakuum erfreute sich reger Legendenbildung. Manches davon entsprach den Tatsachen. Etwa, dass Gegenstände von weicher Konsistenz mit Lufteinschlüssen hefeteigartig auseinanderstrebten, da sich das Gas gewaltsam seinen Weg nach draußen bahnte. Das Vakuum saugte nicht, das Atmosphärische drückte. Einiges verformte sich, anderes platzte. Schokoküsse, mit schaumiger Creme gefüllt, blähten sich zum Vierfachen ihres Volumens auf. Stellte man den ursprünglichen Umgebungsdruck wieder her, verwandelten sie sich in formlose Schmiere, was auf tief greifende strukturelle Zerstörungen hindeutete. Hingegen nahm ein verknotetes Kondom nach einem vorübergehenden Dasein als Ballon wieder seine ursprüngliche Form an, ungeachtet dessen, dass man es dann besser nicht mehr benutzte. Eine Rinderlunge ging in Fetzen, Lochkäse und Auberginen ließen keine sichtbare Veränderung erkennen, Hühnereier ebenso wenig. Bier schäumte wie verrückt, Pommes frites sonderten Fett ab und erkalteten, Ketchuptütchen wölbten sich ein wenig.
    Was Menschen betraf, so hielt sich hartnäckig das Gerücht, sie würden im luftleeren Raum platzen. Ihrer Natur nach waren sie Schokoküssen näher als Kondomen, weich, porös und durchwirkt von Gasen und Flüssigkeiten. Doch als Hanna Locatellis Helm löste, geschah etwas sehr viel Komplexeres. So wie Wasser unter Druck, etwa in Tiefseegräben, erst bei 200° bis 300°, in der Hochgebirgsluft des Mount Everest hingegen schon bei 70° zu sieden begann, kochten die flüssigen Bestandteile in Locatellis Schädel, völliger Drucklosigkeit ausgesetzt, innerhalb eines Sekundenbruchteils auf und kühlten durch den induzierten Energieverlust fast gleichzeitig wieder ab. Was ins Vakuum verdampfte, erzeugte Verdunstungskälte, sodass der flüssige Locatelli, kaum dass er kochte, gleich auch schon wieder gefror. Sein Schädel platzte nicht, doch seine Physiognomie machte rapide Veränderungen durch und hinterließ eine maskenhafte, von dünnem Eis überzogene Fratze. Da er im Schatten eines Felsvorsprungs lag, würde das Eis so lange bleiben, bis Lichtstrahlen darauf fielen und es evaporierte. Zuletzt würde Locatelli einen schrecklichen Sonnenbrand erleiden, doch das Gute an der Sache war, dass er von alledem nichts spürte. Er starb so plötzlich, dass die Schönheit des Sternenhimmels als Letztes in ihm lebte.
    Hanna richtete sich auf.
    Es war, wie er gesagt hatte. Weder belastete noch vergnügte ihn der Akt des Tötens. Seine Opfer bevölkerten nicht seine Träume. Wäre er zu der

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