Limit
eingeschritten:
»Nicht, solange das System oder die Zentrale keine Unbedenklichkeit signalisiert! Wir wissen nicht, wie es im Fahrstuhlschacht aussieht. Wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen Flammen entgegenschlagen, lassen Sie die Finger von den Türen.«
Doch die Zentrale hatte sich bis jetzt nicht gemeldet.
»Notfalls steigen wir durch die Lüftungsschächte nach unten«, hatte er hinzugefügt. »Nicht gerade bequem, aber sicher.«
Seitdem war eine Weile vergangen. Kramp schaute wieder ins Schneckengehäuse der Wendeltreppe hinab.
»Ich werde mich hier oben jedenfalls nicht rösten lassen«, beschied sie.
»Rösten?« Hsus Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Wieso rösten? Meinst du etwa –?«
»Karla«, wisperte Borelius. »Muss das denn sein?«
»Wieso?«, flüsterte Kramp auf Deutsch zurück. »Über uns sind nur noch die Sterne. Zur Aussichtsterrasse können wir nicht ohne Raumanzüge, und unter uns brennt es. Feuer tendiert nach oben. Wenn Funaki nicht bald eine Verbindung zur Zentrale aufbaut, wird meines Weilens hier ein Ende sein, das kann ich dir sagen. Ich will hier raus.«
»Wir wollen alle hier raus, aber –«
»Michio!« Eine verzerrte Stimme erklang aus der Gegensprechanlage der Bar. »Michio, hören Sie mich? Tim hier! Tim Orley!«
Möglicherweise hatte er falsche Prioritäten gesetzt. Lynns Elend ignorierend, hätte er ohne Umschweife Verbindung zu den anderen aufnehmen sollen, doch mit ansehen zu müssen, wie sie litt, erschien Tim unerträglich. Ihrem Schluchzen vermeinte er zu entnehmen, nach Einnahme gewisser Medikamente ginge es ihr besser. Augenblicklich hatte er den Fahrstuhl geholt, von ganz oben her, um mit ihr in den dreizehnten Stock zu ihrer Suite zu fahren. Dass es ungewohnt warm in der Kabine war, erreichte vorerst nur sein Unterbewusstsein. Erst auf der gläsernen Brücke hatte er sich der beängstigenden Geräusche aus Gaias Hals, des Rauchphantoms in der Kuppel des Atriums, einer auf merkwürdige Weise in Bewegung geratenen Architektur erinnert und den Kopf zur Decke gehoben.
Über ihm erstreckte sich eine massive Panzerung.
Verblüfft fragte er sich, wo die stählernen Platten und Schotts so plötzlich hergekommen waren. Sie mussten zwischen den Etagen gelagert haben, den Blicken entzogen.
Was geschah dort oben?
Im Badezimmer schließlich hatte Lynn so sehr gezittert, dass er ihr die grünen Tabletten und die weiße Kapsel, nach der sie verlangte, nacheinander auf die Zunge legen und das Glas für sie halten musste, aus dem sie keuchend wie ein Kleinkind trank. Der anschließende Hustenanfall ließ befürchten, sie werde den Cocktail in hohem Bogen wieder von sich geben, doch dann hatte das Zeug begonnen, Wirkung zu zeigen. Eine Viertelstunde später war sie so weit gefestigt, dass sie die Suite verlassen konnten, nur um Heidrun und Walo Ögi in die Arme zu laufen.
»Was ist denn los?«, fragte der Schweizer besorgt und schaute sich um. »Wo sind die anderen?«
»Oben«, flüsterte Lynn. Ihrem Teint nach hätte sie Heidruns Schwester sein können.
»Wir waren oben«, sagte Ögi. »Wir wollten zu dieser Versammlung, aber es ist alles verriegelt und verrammelt.«
»Verrammelt?«
»Am besten«, sagte Heidrun, »ihr kommt mal mit.«
Erst weiter oben erkannte Tim das ganze Ausmaß der Panzerung. Eine lückenlose, stählerne Wand zog sich quer über die Empore. Die Türen von E2, einem der beiden Gästefahrstühle, waren ebenso dahinter verschwunden wie der linksseitige Zugang zum Hals. Die verbliebene Wendeltreppe endete in einem geschlossenen Schott. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Sicht unmerklich getrübt war, als überziehe ein hauchdünner Film seine Netzhaut. Vereinzelt trudelten schwarze Flusen durch die Luft. Er griff danach und zerrieb sie zwischen den Fingern zu Schmiere.
»Ruß«, sagte er.
»Riecht ihr das?« Ögi schnüffelte mit zuckendem Schnurrbart in alle Richtungen. »Als hätte es gebrannt.«
Entsetzen beschlich ihn. Was anderes bedeutete es, dass die Schotts verschlossen waren, als dass es immer noch brannte? Voller Beklommenheit fuhren sie nach unten und hörten schon in der Lobby Funakis dringliche Rufe. Lynn schlurfte zu den Kontrollen, aktivierte die Rücksprechfunktion, gab ihrem Bruder einen matten Wink und sank in einen der Rollsessel.
»Michio!«, rief Tim außer Atem. »Michio, hören Sie mich? Tim hier! Tim Orley!«
»Mr. Orley!« Funakis Erleichterung war mit Händen greifbar. »Wir dachten schon, es antwortet überhaupt
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