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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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war entsetzlich müde, und plötzlich wollte sie nicht einmal mehr, dass Julian sie fände, wenn er denn endlich einträfe. Tatsächlich wünschte sie natürlich nichts mehr, als dass er sie fände, aber nicht jetzt. Zuvor sollte er sich gehörig Sorgen machen. Ein leeres Kissen zerknüllen. Sie vermissen. Im schlechten Gewissen sieden. Das sollte er!
    Ähnlich dem Pool war auch die Ruhelandschaft der Mondoberfläche nachempfunden, voller Kraterchen und verschwiegener Winkel. Den Bademantel um sich geschlungen, hatte sie sich eine besonders versteckte Liege auserkoren, in idealer Weise geeignet, um nicht gefunden zu werden, sich darauf ausgestreckt und war binnen weniger Minuten in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Gleichmäßig atmend, den Blicken etwaiger Suchender entzogen, ruhte sie nun am Urgrund aller Bewusstheit, aus der Zeit und der Wirklichkeit genommen, verzaubert im Vorzimmer des Todes, schnarchte ganz leise vor sich hin und empfand nichts als himmlischen Frieden und nicht einmal mehr das.
     
    Viele Stockwerke über ihr brodelte die Hölle.
    So wie Gaia im Zustand der Unversehrtheit einem jugendlichen, perfekt funktionierenden Organismus glich, dessen Lebenserhaltungssysteme ihn für Heldentaten, Goldmedaillen und die Unsterblichkeit prädestinierten, hatten ein paar verirrte Projektile aus einer Handfeuerwaffe gereicht, sämtliche Vorzüge ihrer Systeme und Subsysteme augenblicklich gegen sie zu kehren. Die verborgenen Tanks, dazu gedacht, verbliebene Mängel des bioregenerativen Kreislaufs auszugleichen, indem sie feinste Mengen Sauerstoff in die Atmosphäre pumpten, hatten sich als todbringende Schwachstelle erwiesen. Zwanzig Minuten nach Einsetzen der Katastrophe war der getroffene Tank ausgebrannt, doch andere, ursächlich Leben rettende Systeme gaben dem Höllenfeuer neue Nahrung. Mittlerweile herrschten in der hermetisch abgeriegelten Zone Temperaturen von über 1000° Celsius. Die Gehäuse der Sauerstoffkerzen waren geschmolzen und hatten ihren Inhalt freigesetzt, brennendes Kühlmittel hatte Leitungen zum Platzen gebracht, angeblich unbrennbare Wandverkleidungen flossen als glühender Brei dahin. Anders als in irdischer Schwerkraft loderte die Feuersbrunst nicht hoch auf, sondern waberte eigentümlich belebt umher, kroch in jeden Winkel, so auch in die Kabine von E2, dem Gästefahrstuhl, dessen Türen sich nicht rechtzeitig hatten schließen können, da Anands zusammengesackter Körper sie blockierte. Von den drei Leichen waren nur teerige Klumpen und Knochen geblieben, alles andere hatte das Flammenmonster in sich hineingeschlungen, menschliches Gewebe, Kunststoffe, Pflanzen, doch sein Hunger war bei Weitem noch nicht gestillt. Während die Eingeschlossenen im Mama Killa Club zusammen mit Lynn und Tim ihr Entkommen planten, Dana Lawrence wutschnaubend gegen das verschlossene Schott hämmerte und Nina Hedegaard den Untergang verschlief, wüteten die Flammen gegen einen zweiten Tank, bis dessen Dichtungen nicht länger standhielten und weitere 20 Liter komprimierter Sauerstoff die nächste Phase des Infernos einleiteten. In Ermangelung anderer Materialien begann das Monster am Sicherheitsglas des Fensters und am Stahlkorsett zu nagen, das Gaias Nacken aufrecht hielt, und schwächte ihren strukturellen Zusammenhalt.
    Um Viertel nach neun begannen die ersten tragenden Konstruktionen langsam nachzugeben.
     
    »Nein, es war vollkommen richtig, den Fahrstuhl nicht zu benutzen«, hörten sie Lynns Stimme aus der Gegensprechanlage. Sie klang müde und ausgelaugt, aller Frequenzen ihrer Kraft beraubt. »Das Problem ist, wir können hier unten nur Vermutungen anstellen. Im Hals ist die Sensorik ausgefallen, möglich, dass es dort immer noch brennt. Im Chang'e konnte das Löschsystem offenbar einiges ausrichten, allerdings herrschen Kontamination und massiver Unterdruck. Fast aller Sauerstoff ist zum Teufel. Ich schätze, die Ventilatoren werden das im Lauf der nächsten beiden Stunden ausgleichen, ähnlich wie im Schulterbereich.«
    »Wir können aber keine zwei Stunden warten«, sagte Funaki mit einem Seitenblick auf Rebecca Hsu. »Inzwischen wird es hier nämlich tatsächlich wärmer.«
    »Gut, dann –«
    »Was ist mit den Lüftungsschächten? Wir könnten über die Stiegen nach unten klettern.«
    »Die Angaben dazu sind widersprüchlich. Im Ostschacht scheint es zu leichten Druckverlusten gekommen zu sein, möglicherweise ist aber auch nur etwas Rauch eingedrungen. Der Westschacht sieht okay

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