Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
drückt ihr euch an der Wand lang. Es gibt Verstrebungen zwischen den Fahrstuhlschienen, an denen ihr euch festhalten und über die ihr gehen könnt. Nicht nach unten gucken, auch nicht nach oben, einfach immer weiter. Auf der anderen Seite liegt ein Durchgang, ich vermute, er führt in einen der Lüftungsschächte.«
    »Das schaffe ich nie«, sagte Sushma in ängstlichem Flüsterton.
    »Doch«, sagte Hsu entschlossen. »Das schaffen wir alle, und du schaffst das auch. Und entschuldige wegen vorhin.«
    Sushma lächelte mit zuckenden Lippen. Ohne zu zögern zerriss Borelius den dünnen Stoff ihres Tops, das sündhaft teuer gewesen war, egal, wickelte sich die Fetzen um Hände und Handgelenke und half Kramp bei der Dekonstruktion ihres T-Shirts, während Nair seiner Frau assistierte. Hsu, fluchend und nur noch mit Unterwäsche bekleidet, verzweifelte an der Zweckentfremdung ihres Cocktailkleids. Nair reichte ihr Streifen seines Hemdes.
    »Gut«, sagte Borelius. »Ich gehe als Erste.«
    Die Kabine des Personalfahrstuhls erzitterte. Borelius umfasste den Rand der zerstörten Trennwand, zog sich hoch und schwang ein Bein auf die andere Seite.
    Nicht nach unten sehen?
    Eva, Eva. Leichter gesagt als getan. Plötzlich wurde ihr mulmig zumute und ihr Mut schrumpfte zusammen. Der ferne Grund des Schachts verlor sich in Unheil verheißender Dunkelheit, auch das Gestänge schien ihr mit einem Mal beunruhigend schmal. Sie zwang sich, den Blick nicht zu der demolierten Kabine von E2 zu heben, langte aus, packte eine der Verstrebungen und fühlte die Hitze durch den Stoff dringen. Mit zusammengebissenen Zähnen kletterte sie ganz auf die andere Seite und setzte die Füße auf den heißen Stahl.
    Nicht gerade ein Boulevard. Aber sie stand.
    Entschlossen wagte sie einen Seitwärtsschritt, tastete sich voran, bis sie die frontwärtige Schachtwand erreicht hatte, überbrückte mit einem Bein den Winkel, ließ ihre Fußspitze auf die Suche nach Halt gehen. Ihr Oberkörper bog sich nach hinten, der Stoff ihrer provisorischen Bandage rutschte am Stahl der Strebe ab. Einen Moment lang fürchtete sie, den Halt zu verlieren, krallte sich mit wild schlagendem Herzen fest, legte unwillkürlich den Kopf in den Nacken und starrte auf die Unterseite der glühenden Kabine. E2 hing nun direkt über ihr, schwarz und bedrohlich, mit feurigen Rändern.
    Wenn das Ding jetzt abstürzt, fuhr es ihr durch den Kopf, muss ich mir jedenfalls keine Gedanken mehr darüber machen, ob sie die Bluse bei Louis Vuitton noch mal haben. Dann fiel ihr ein, dass Rebecca Hsu Louis Vuitton gekauft hatte, vor Jahren schon.
    Da wird Rebecca was einfädeln müssen, dachte sie grimmig.
    Sie packte fester zu. Mit einem beherzten Schritt war sie im Gestänge der Frontwand. Schnell jetzt! Durch die Bandagen hindurch begann die Hitze zu schmerzen, Brandblasen waren vorprogrammiert. Allzu lange ließ sich das hier nicht auszuhalten, zudem hegte sie den Verdacht, dass der Rauch nun auch nach unten zog. Die Füße wie eine Ballerina abgewinkelt, schob sie sich am unteren Rand der Fahrstuhltüren vorbei, meisterte auch den zweiten Winkel. Zu ihrer Rechten, kaum einen Meter entfernt, klaffte der Durchgang. Vorsichtig wandte sie den Kopf und gewahrte Karla in Höhe der Türen, dicht gefolgt von Sushma, die das Gesicht zur Wand gedreht hielt und folgsam jeden Blick nach oben und unten vermied. Nair hatte es eben auf die andere Seite geschafft, sicherte sich mit der Rechten und half Hsu, ihren fülligen Körper über die Kante zu wuchten.
    »Kümmere dich um Sushma«, sagte Hsu und ignorierte Nairs ausgestreckte Hand. »Ich komm schon allei –«
    Ihre Worte gingen in metallischem Kreischen unter. Hastig schwang sie sich über die Kante. Ein Krachen und Scheppern erklang, das sich rasch nach unten entfernte, als der Personalfahrstuhl abstürzte.
    »Alles in Ordnung?« Nairs Stimme hallte von den Wänden wider, wurde vom Abgrund absorbiert.
    Hsu nickte, zitternd auf ihrer Strebe. »Himmel. Ist das heiß.«
    »Warte, ich komme.«
    »Nein, es geht schon. Geh. Geh!«
    Borelius atmete auf, schob sich bis unter den Durchgang. Die Passage lag höher als gedacht, sodass sie gerade noch über die Kante spähen konnte, doch in die Wand waren zwei schmale Sprossen eingelassen. Mit einem Klimmzug gelangte sie ins Innere, robbte voran und stieß beinahe sofort mit den Händen gegen eine Metallplatte, die den Durchgang nach hinten verschloss. Seitlich davon lag ein kleines Bedienfeld. Auf gut Glück

Weitere Kostenlose Bücher