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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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drückte sie ihre Finger darauf, und im selben Moment durchfuhr sie eisiger Schrecken.
    Unterdruck! Was, wenn das Feuer und der Rauch schon zu viel Sauerstoff im Fahrstuhlschacht vernichtet hatten?
    Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung glitt die Platte beiseite und gab den Blick frei auf einen gleichmäßig beleuchteten, rund zwei mal zwei Meter durchmessenden Schacht. Linker Hand verlief eine Leiter. Sie winkelte Arme und Beine an, drehte sich, kroch zurück und streckte Kramp beide Hände entgegen.
    »Hier rein«, rief sie mit hallender Stimme. »Dahinter liegt der Luftschacht.«
    Kramp glitt neben ihr in die Passage.
    »Klettere über die Leiter nach unten«, sagte Borelius. »Irgendwo sollte sich eine Möglichkeit ergeben, nach draußen zu gelangen.«
    »Was ist mit dir?«
    »Ich helfe den anderen.«
    »Okay.«
    Sushma wandte ihr das Gesicht zu. Hoffnung und Todesangst rangen darin um die Vorherrschaft.
    »Alles in Ordnung, Sushma.« Borelius lächelte. »Jetzt ist alles gut.«
    Über ihr knarrte es vernehmlich, dann ertönte ein metallischer Knall, und Funken regneten in dichten Schauern hernieder.
    Borelius schaute nach oben.
    Feuerschein schimmerte durch einen Spalt. War der vorhin schon da gewesen? Es sah aus, als beginne sich der Boden der brennenden Kabine vom Rest des Rumpfes abzulösen.
    Nein, dachte sie. Noch nicht. Bitte!
    Auch Hsu blickte alarmiert in Richtung Decke, während sie mit der Überwindung des zweiten Winkels kämpfte. Ihre Knie zitterten heftig. Sushma begann zu weinen. Hastig zerrte Borelius die Inderin in den Schacht, unterstützt von Nair, der von unten drückte und verharrte, unschlüssig, ob er seiner Frau folgen oder Hsu helfen sollte, die sich zentimeterweise vorantastete.
    »Rein mit dir!«, befahl Borelius. »Ich kümmere mich um Rebecca. Los, mach schon.«
    Nair gehorchte, drückte sich an ihr vorbei und verschwand im Lüftungsschacht. Erneut knarrte es in der Höhe. Der Glutregen wurde dichter. Hsu schrie auf, als Funken auf ihre nackten Schultern niedergingen. Sie presste sich gegen die Wand, außerstande, weiterzugehen, starr vor Angst.
    »Rebecca!« Borelius reckte ihren Oberkörper nach draußen.
    »Ich kann nicht«, stöhnte Hsu.
    »Du bist beinahe da.« Sie streckte ihre langen Arme nach der Chinesin aus, versuchte, etwas von ihr zu fassen zu kriegen.
    »Meine Beine gehorchen mir nicht.«
    »Nur noch ein Stück! Halt dich an mir fest.«
    Salvenartige Schläge dröhnten durch den Schacht. Der Kabinenboden von E2 wölbte sich, platzte an mehreren Stellen gleichzeitig auf.
    Nein, flehte Borelius. Falsch, falscher Zeitpunkt. Noch nicht. Bitte noch nicht!
    Sie reckte sich so weit heraus, wie es nur ging. Über die Schachtwände geisterte feuriger Widerschein. Die Chinesin überwand ihre Starre und den Winkel, rang sich einen todesmutigen Schritt ab, rückte näher, gelangte direkt unter sie, ergriff ihre ausgestreckte Rechte, hob die Augen zu Borelius –
    Und weiter zur Decke.
    Die Zeit gerann.
    Mit einem Knall löste sich die Bodenplatte ab. Hsus Züge verzerrten sich, spiegelten die Erkenntnis, dass sie verloren hatte, versteinerten. Einen Herzschlag lang ruhte ihr Blick auf Borelius.
    »Nein!«, schrie Borelius. »Nein!«
    Die Chinesin stieß ihre Hände weg. Als wolle sie ihr Ende willkommen heißen, breitete sie die Arme aus, ließ sich fallen und kippte rückwärts in den Schacht. Borelius reagierte instinktiv. Blitzartig zog sie sich zurück, schützte ihren Kopf, vergrub ihr Gesicht in den Ellenbeugen. Wenige Zentimeter von ihr entfernt donnerte der Kabinenboden vorbei, spuckte Glutfontänen ins Innere, die ihre Unterarme, Hände und Haare versengten, doch nichts davon spürte sie. Im Fahrstuhlschacht rumpelte, polterte, krachte es. Ungläubig, außer sich, zog sie sich über den Rand, sah die feurige Wolke kleiner und blasser werden, bis sie zu implodieren schien, als der Boden tiefer und tiefer stürzte.
    Rebeccas Sargdeckel.
    »Nein«, flüsterte sie.
    Flammenzungen fielen von oben herab. Borelius schob sich rückwärts in den Lüftungsschacht. Ganz von selbst fanden ihre Füße die Leiter. Ein identisches Bedienfeld wie im Durchgang. Mechanisch berührte sie es, und die Klappe glitt geräuschlos zu. Unter sich hörte sie Stimmen, den Widerhall von Füßen auf metallenen Sprossen. Jede Vorstellung einer Zukunft kam ihr abhanden. Apathisch hing sie in der Hitze des Schachts, auch hier zur Flucht drängende Temperaturen, doch sie schlotterte an allen Gliedern, fror, als

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