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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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wimmerte Rogaschowa.
    »Doch, du bist klasse, du weißt es nur noch nicht.«
    Winter hob die kleine Frau mühelos in die Höhe und O'Keefe entgegen, der sie zurück auf die Ladefläche zog und an Tim weitergab.
    »Yeah!«, rief Winter. »Nichts wie weg!«
    Sie lachte und streckte die Arme aus. O'Keefe wollte zupacken, doch ihre Hände waren plötzlich außer Reichweite. Verblüfft beugte er den Oberkörper vor. Sie entzog sich ihm mit immer größerer Geschwindigkeit, sodass er einen Moment lang glaubte, Hedegaard sei ohne sie abgeflogen. Dann wurde ihm klar, dass der Shuttle unverändert auf der Stelle stand.
    Gaias Kopf brach ab!
    »Miranda!«, schrie er.
    Ersticktes Keuchen war in seinem Helm zu hören, als stünde sie gleich neben ihm, während ihre wankende Gestalt vor seinen Augen schrumpfte. Sie ruderte wild mit den Armen, auf grausige Weise misszuverstehen als Signale der Ausgelassenheit, so wie man sie eben kannte, chronisch gut drauf bis an die Grenze des Erträglichen, doch als sie O'Keefes Namen rief, drückte ihre Stimme die ganze angstvolle Verzweiflung eines Menschen aus, der erkennt, dass nichts und niemand ihn noch retten wird.
    »Finn! Finn! – Finn!«
    » Miranda!«
    Dann fiel sie.
    Ihr Körper kippte über den Kabinenschacht, blitzte hell im Sonnenlicht auf und verschwand hinter dem Haupt der geköpften Gaia, das eine halbe Drehung beschrieb, kurz stillzustehen schien, endlich ganz von den Schultern fiel und in das romanisch geschwungene Riesenfenster der Bauchdecke krachte.
    »Rein, alle rein!«, schrie O'Keefe mit überschlagender Stimme. »Nina!«
    »Was ist los, Finn, wir –«
    »Abgestürzt!« Er sprang in den Laderaum. »Miranda ist abgestürzt, du musst nach vorne, zur Vorderseite.«
    »Seid ihr drin?«
    Sein Blick irrte umher. Neben ihm stolperte Tim über seine eigenen Füße, die stöhnende Rogaschowa im Arm, und fiel der Länge nach auf den Boden des Frachtraums.
    »Alle, ja! Schnell, um Gottes willen, mach schnell!«
    Er wartete nicht, bis sich das Heck geschlossen hatte, rannte wie von Sinnen zum Verbindungsschott, zwängte sich, kaum dass es einen Spaltbreit aufglitt, hindurch, stolperte den Mittelgang entlang, wurde gegen die Sitze geschleudert, das Aufheulen der Triebwerke im Ohr, als Hedegaard die Kallisto rückwärts über den zerfetzten Halsstumpf der Figur steuerte, rappelte sich hoch, hastete ins Cockpit.
    Schaute nach unten.
    Die Bauchhöhle, zerstört. Feuerbälle, im Moment ihres Aufleuchtens schon wieder erlöschend. Trümmer regneten herab, als stockwerkweise der Brustkorb mit den Suiten einbrach, während Gaias gewaltiger, königlicher Schädel, überraschenderweise noch mit intakter Gesichtsverglasung, über die sanfte Neigung der Oberschenkel dem Tal zurollte, beinahe zögerlich die Knie passierte und 200 Meter tiefer auf dem Plateau zerschellte.
    »Geh runter! Runter!«
    Der Shuttle sank abwärts, doch von Winter war nichts zu sehen, weder auf der von Splittern übersäten Oberfläche der Schenkel noch auf dem Mondboden drum herum.
    »Zum Plateau! Sie ist mit runtergerissen worden! Du musst –«
    »Finn –«
    »Nein! Suchen! Such sie!«
    Widerspruchslos wendete Hedegaard den Shuttle, ließ ihn weiter absinken und kurvte dicht über den weithin verstreuten Überresten des Kopfes umher. Inzwischen drängten sich auch die anderen Geretteten im Innenraum hinter dem Cockpit zusammen.
    »Sie kann doch nicht verschwunden sein!«, schrie O'Keefe.
    »Finn.«
    Er spürte den sanften Druck einer Hand an seinem Oberarm, wandte sich um. Heidrun hatte ihren Helm abgenommen, sah ihn aus geröteten Augen an.
    »Sie kann doch nicht verschwunden sein«, wiederholte er leise.
    »Sie ist tot, Finn. Miranda ist tot.«
    Er starrte sie an.
    Dann fing er an zu weinen. Blind vor Tränen sank er vor Heidrun zu Boden. Er konnte sich nicht erinnern, jemals geheult zu haben.
    Lynn saß blick- und teilnahmslos in der ersten Sitzreihe. Noch einmal hatte sie gestrahlt wie früher, hatte die Gruppe im Aufglühen des sterbenden Sterns, der sie war, geeint und ihr geleuchtet, hatte Lawrence, ihre Feindin, geblendet und zurückgetrieben, doch der Brennstoff ihrer Lebensenergie war aufgezehrt, der Kollaps unvermeidlich. Alles in ihrem Schädel raste mit maximaler Bewegungsenergie durcheinander, Impressionen, Fakten, Eintrittswahrscheinlichkeiten. Verlässliches Wissen zerrieb sich an Hypothesen. Die nicht enden könnende Verdichtung von Eindrücken bewirkte deren Frakturierung in kleinste und

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