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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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dem es gluckerte und blubberte von verfaulenden Theorien, alle Wege im Nichts endeten oder sich im Ungewissen verloren. Immer weniger vermochte er sich zu konzentrieren. Vic Thorn auf seiner Reise in die Ewigkeit. Kenny Xin, zu Palsteins geplanter Ermordung schlurfend. Die neun Köpfe der Hydra. Carl Hanna, in dessen Vita Norrington bislang nicht den kleinsten Kratzer hatte ausfindig machen können. Diane mit immer neuen Meldungen über Calgary und das Massaker von Vancouver. Sinistre Vertreter der CIA, ihr Klischee bedienend. Er sah sich aus großer Höhe in einem Kreis laufen, so riesig, dass man der Illusion erliegen konnte, geradeaus zu gehen, doch alle Spuren führten in sich selbst zurück.
    Er war entsetzlich müde.
    Yoyo kehrte vom Telefonieren zurück, als er eben davorstand, sich flach auf dem Boden auszustrecken und kurz die Augen zu schließen. Doch dann wäre er womöglich eingeschlafen, und sein überreizter Kortex hätte Verfolger und Verfolgte in seine Träume zitiert. Eigentlich war er froh, dass Yoyo ihn wach hielt, auch wenn ihre quecksilbrige Vitalität ihm zusehends auf die Nerven ging. Seit ihrer Ankunft im Big O hatte sie im Alleingang eine Flasche Brunello di Montalcino leer gemacht, trug das Rubinrot der Sangiovese Grosso auf den Wangen und die Nimmermüdigkeit der Jugend im Blick, ohne Anzeichen von Trunkenheit erkennen zu lassen. Für jede gerauchte Zigarette schienen ihren Fingern zwei neue zu entwachsen. Sie war unberechenbarer als das Wetter von Wales, trübsinnig und grollend im einen, aufgeheitert im nächsten Moment.
    »Wie geht's deinem Vater?«, gähnte er.
    »Den Umständen entsprechend.« Yoyo ließ sich in einen Drehsessel fallen und sprang gleich wieder auf. »Ganz gut eigentlich. Ich hab ihm natürlich nicht alles erzählt. Die Sache im Pergamon-Museum zum Beispiel, so was muss er nicht wissen, klar? Nur für den Fall, dass du mit ihm sprechen solltest.«
    »Ich sehe keinen Grund dazu.«
    »Hongbing ist dein Klient.« Sie machte sich an der Kaffeemaschine zu schaffen. »Schon vergessen?«
    Jericho blinzelte. Plötzlicher Argwohn befiel ihn, seine Augäpfel beim Blick in den Spiegel durch Computermonitore ersetzt zu finden. Er zwang sich, vom Bildschirm aufzuschauen.
    »Ich hab dich ihm zurückgebracht«, sagte er. »Der ehrenwerte Chen Hongbing ist nicht länger mein Klient.«
    »Mist.« Yoyo studierte das Angebot der Maschine. »Kaffee in tausend Variationen, nirgendwo Tee.«
    »Sperr deine Augen auf. Engländer sind Teetrinker.«
    »Wo denn?«
    »Rechts unten. Heißes Wasser. Das Kistchen mit den Beuteln steht daneben. Was hast du ihm denn erzählt?«
    »Hongbing?« Yoyo durchwühlte die Kiste. »Dass uns Donner in einer von Herzlichkeit geprägten Unterhaltung schlau gemacht und Vogelaar sich als Phantom erwiesen hat.« Sie stellte ihren Becher unter die Düsen, versenkte ein Beutelchen Oolong und ließ kochendes Wasser darüberlaufen.
    »Eine Vergnügungsreise also«, spottete Jericho. »Waren wir denn schon bei Madame Tussauds und auf der Kings Road shoppen?«
    »Hätte ich ihm besser von der Erfahrung berichten sollen, einem Toten die Augen aus den Höhlen zu drücken?«
    »Schon gut. Einen Schokaffee, bitte.«
    »Einen was?«
    »Einen Kaffee mit Schoko. Linke Reihe, dritter Knopf von oben. Wie weit bist du mit Thorn?«
    Sie hatten sich die Aufgaben geteilt, wozu gehörte, dass Yoyo die von Edda Hoff übermittelten Daten auswertete und um Fundstücke aus dem Netz ergänzte.
    »Den hab ich in ein paar Minuten durch«, sagte sie, während sie zusah, wie die Maschine ein Gemisch aus Cappuccino und Kakao ausspie. »Kann es sein, dass du müde bist?«
    Jericho setzte zu einer Antwort an, wurde gewahr, wie Diane auf einen Schlag 112 neue Meldungen über Calgary und Vancouver bei ihm ablud, und versank in betrübtes Schweigen. Yoyo stellte seinen dampfenden Becher vor ihn hin und ließ sich Tee schlürfend vor ihrem Monitor nieder. Lustlos beschloss er, der Nachricht, die alles in Gang gesetzt hatte, einen ultimativen Blick zu gönnen und schlafen zu gehen.
    Im Moment, als der Text auf seinem Bildschirm erschien, pfiff Yoyo leise durch die Zähne.
    »Willst du wissen, wer von 2020 bis Ende 2024 Projektleiter für die Peary-Missionen war?«
    »So wie du es sagst, werde ich es wohl wissen wollen.«
    »Andrew Norrington.«
    »Norrington?« Jerichos gerundete Schultern strafften sich. »Shaws Stellvertreter?«
    »Warte mal.« Sie runzelte die Brauen. »Es gab mehrere Projektleiter,

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