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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Blitz verglühte. Das Zerstörung atmende Wunder, über dessen Eingabefeld ihre Finger schwebten, würde den Gipfelkranz des Peary in eine Hölle verwandeln und alles hinwegfegen, was Menschen gebaut hatten, so vollständig, als sei nie jemand hier gewesen. Es empfahl sich, sehr weit weg zu sein, doch wann würde die Suchmannschaft zurückkehren, wann die Charon starten? Den Zünder auf 24 Stunden zu justieren wäre eine sichere Option für ihr eigenes Überleben. Was aber, wenn die Blockade der Kommunikation vorzeitig zusammenbräche und man erführe, dass die Mini-Nuke hier am Pol lagerte?
    Darauf konnten sie nicht kommen.
    Doch, konnten sie. Alleine, dass sie von der Bombe wussten, bewies, dass sie auf alles kommen konnten. Inzwischen musste die Kallisto das Aristarchus-Plateau erreicht haben. Sofern sie dort Überlebende vorgefunden hatten, stand ihre baldige Rückkehr zu erwarten. Falls nicht, würden sie auf unabsehbare Zeit weitersuchen. Sie konnte ihre Entscheidung nicht von den Shuttles abhängig machen. Sie musste das Ding hier scharf machen, die Charon kapern und zur OSS steuern. Dort würde sie sich zu erklären haben: warum sie ohne die anderen abgeflogen war, warum sie überhaupt abgeflogen war, wie sie von der Bombe hatte wissen können. Insbesondere, wenn es Überlebende gab, würden diese jedes ihrer Lügenkonstrukte zum Einsturz bringen.
    Aber damit musste sie fertigwerden. Sie war ausgebildet worden, um mit so etwas fertigzuwerden.
    Ihre Finger zuckten unentschlossen.
    Dann gab sie den Zeitcode ein, häufte die Steine wieder vor die Bombe und robbte hastig zurück. Das Inferno war programmiert. Zeit, sich abzusetzen.
     

IGLU 1
     
    Wachowski erschrak sichtlich zu Tode.
    »Was machen Sie denn hier?«
    Lynn schaute auf ihn herab, gelinde erstaunt, sich in seinen Augen so zu erblicken, wie er sie sah, ein bleiches, wirrhaariges Gespenst, das lautlos herangetrieben war, als habe der Sturzwind es über die Schwelle geweht, eine von fremden Kräften bewegte Erscheinung: Lady Madeline Usher, Elsa Lanchester als Frankensteins Braut, das personifizierte B-Movie. Ganz und gar verblüffend, mit welcher Klarheit sie solche Bilder und Gedanken in der Dunkelheit aufleuchten sah, nachdem ihr Verstand sich doch hopplahopp davongemacht hatte – offenbar aber nicht ohne Brotkrumen zu hinterlassen, um dem kleinen Mädchen, das sich so böse verlaufen hatte, den Weg zurück in die Normalität zu weisen.
    Folge der Spur der Gedanken, raunten astrale Wesen. Ins Licht, ins Licht, Sternenkind, mauschelten höhere Intelligenzen, die keines Körpers bedurften und obskuren Spaß daran fanden, arme Astronauten in Monolithe zu locken und in lächerlichen Kopien von Louis-Quatorze-Zimmern abzusetzen wie den armen Bowman, der –
    Bowman? Lady Madeline?
    Das ist mein Kopf, schrie sie. Mein Kopf, Julian!
    Und der Schrei, tapferer kleiner Schrei, zog los, wackerer Geselle, quälte sich den langen, langen Weg bis zum Ereignishorizont, verlor an Kraft und Courage, stülpte sich nach innen und verging.
    »Geht's Ihnen gut?«
    Wachowski legte den Kopf schief. Interessant. An seinen Schläfen pumpten geschlängelte Adern fleißig Blut. Das Blut der hellen Aufregung. Lynn sah winzige U-Boote hindurchfahren.
    »Ich hab Sie nicht kommen hören.«
    U-Boote in Adern. Dennis Quaid in Die Reise ins Ich. Nein, Raquel Welch und Donald Pleasance, Fantastische Reise. Die Eeeeeerstverfilmung!
    Ach ja. 'tschuldige, Daddy.
    Sie war verseuchtes Terrain. Julianisch kontaminiert. Ganz klar, er war da, foppte sie, hielt sie zum Narren mit seiner Filmverrücktheit. Wann immer sie glaubte, in sich angekommen zu sein, landete sie doch wieder nur in einer seiner Welten, Alice im Orley-Land, die ewige Protagonistin seiner Fantasie, seine ureigene Erfindung.
    Du bist wahnsinnig, Lynn, dachte sie. Am Ende bist du geworden wie Crystal. Erst depressiv, dann wahnsinnig.
    Oder hatte Julian ihr auch diese Rolle ins Drehbuch geschrieben?
    Seine fuchtelnden Hände, sein Funken sprühender Blick, wenn er sie und Tim in sein privates Kino mitgenommen hatte, jeden Meter belichteten Zelluloids, jedes digitale Drama, das die Hirne von Science-Fiction-Autoren und -Regisseuren je ersonnen hatten, waren sie gezwungen gewesen, über sich ergehen zu lassen: Georges Méliès' Voyage dans la lune, Fritz Langs Frau im Mond, Nathan Jurans First Men in the Moon, This Island Earth mit Jeff Morrow und Faith Domergue und dem Mutanten – oh Mann, der Mutant! –, Star Trek, Der

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