Limit
Ich bin nebenan im Fitnessraum, wenn was ist.«
»Dana?« Wachowski lächelte etwas verlegen.
»Ja?«
»Ich darf doch Dana sagen.«
Lawrence hob eine Braue. »Natürlich – Tommy.«
»Meinen Respekt.«
»Oh.« Sie lächelte erneut. »Danke.«
»Ich mein's ernst. Sie halten sich aufrecht! Nach allem, was geschehen ist, kann Orley froh sein, dass er Sie hat. Sie behalten die Nerven.«
»Ich versuche es wenigstens.«
»Seine Tochter hat ja wohl irgendwie zugemacht.«
»Tja. ISLAND-I sagt, sie steht unter Schock.«
»Ziemlich tief sitzender Schock. Was ist mit ihr? Sie kennen Sie besser, Dana, was hat sie?«
Lawrence schwieg eine kurze Weile.
»Das, was wir alle haben«, sagte sie im Hinausgehen. »Dämonen.«
HANNA
Über 700 Stundenkilometer schnell schoss der Gütertransport mit den Helium-3-Tanks die Talsenke zum Peary-Flugfeld hinauf, doch Hannas Gedanken rasten ihm voraus.
Er musste die Bombe scharf machen, aber zuvor war es geboten, mit Lawrence in Kontakt zu treten. Er hatte nicht die geringste Vorstellung davon, wie sich die Dinge im Hotel entwickelten. Fest stand, dass seine Enttarnung auch ihren Bewegungsspielraum einschränkte. Würde er am Pol auf sie warten, konnten sie zusammen fliehen, doch spätestens auf der OSS wäre der Januskopf seiner Identität Gegenstand eines offiziellen Steckbriefs, und er konnte die Rückkehr zur Erde mit dem Weltraumfahrstuhl vergessen. Die ganze verfahrene Situation erforderte rasches Handeln. Zeitzünder einstellen, mit der Charon verschwinden. Noch konnte Xins schöner Plan aufgehen. Vielleicht nicht ganz so wie vorgesehen, doch mit identischen Resultaten. Besser, wenn Lawrence in der sicheren Distanz des Vallis Alpina weiterhin die besorgte Direktorin mimte und darauf vertraute, dass die Chinesen sie in getreuer Befolgung des Abkommens auf gegenseitige Hilfeleistung irgendwann mit zur Erde nehmen würden.
Die Hochebene rückte näher. Die Umfriedung des Raumhafens geriet in Sicht, Hangars, Antennen, Ordnungsbilder menschlicher Besiedelung. Er wurde gegen die vor ihm liegenden Tanks gepresst, als die Magnetbahn ihre Geschwindigkeit verringerte, weit rapider als der Lunar Express. Einen Moment lang fürchtete er, sich verschätzt zu haben und im mörderischen Entschleunigungsprozess zerquetscht zu werden, dann ging der Zug mit der Gemütlichkeit eines Seniorendampfers in die letzte Kurve und kam auf der Empore des Bahnhofs zum Stehen. Hanna sprang auf den Bahnsteig, bevor einer der Manipulatoren ihn mit einem Kugeltank verwechseln konnte, darauf bedacht, nicht in den Fokus der Überwachungskameras zu geraten. Ringsum erwachte der Maschinenpark zum Leben, Gabelstapler rollten heran, künstliche Arme begannen mit der Entladung. Er huschte zur Außenseite der Plattform und legte die 15 Meter bis zum Boden in einem einzigen Sprung zurück. Vor seinen Augen erstreckten sich zwei Kilometer unbebauter Ebene, einzig durchschnitten von der Straße, die den Raumhafen mit den Iglus verband. Scharf zeichneten sie sich gegen Hügelkämme und Fabrikgebäude ab, flankiert vom Spalier der Wohntürme, dazwischen, in scheinbar willkürlicher Anordnung, Schuppen und Unterstände. In beträchtlicher Entfernung stach etwas Raumgreifendes aus der versteinerten Woge eines Hügelkamms heraus, die äußere Hülle des im Bau begriffenen Helium-3-Kraftwerks.
Hanna lief los, ohne Hast, hielt sich abseits der Straße im Schutz der Anhöhen, sodass die Basis zu seiner Rechten lag. Bald schon würde eine andere Sonne hier scheinen, kurz nur, dafür von strahlender Helligkeit, und alles verändern. Die Landschaft. Die Geschichte.
LAWRENCE
Mit dem Lift war sie ins Dachgeschoss von Iglu 1 gefahren und hatte die Verbindungsröhre zwischen den beiden Kuppeln betreten. Unter ihr verlief die Straße, die zu den Fabriken im Hinterland führte. Einige kleine Fenster gestatteten Ausblicke auf die Kraterränder, das Industriegebiet und den Raumhafen. Der Sonnenstand malte das Schattenpanorama eines Giorgio de Chirico, doch Lawrence hatte keinen Blick für die surreale Schönheit der Landschaft unter den Milliarden Sternen. Zielstrebig wechselte sie hinüber ins Iglu 2, nahm den Aufzug in die Lounge, legte Panzerungen und Überlebenstornister ihres Raumanzugs an, ergriff ihren Helm, fuhr weiter abwärts, vorbei an Fitnessstudio und Krankenstation, passierte eine Schicht Felsgestein, drang vor in die minotaurische Abgeschiedenheit des Labyrinths aus Höhlen und Gängen, das den
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