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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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es egal zu sein, sie leben ohnehin in einer Art Schwebezustand. Wir schauen uns die Fischzucht als Nächstes an, wenn ihr wollt.«
    »Noch haben wir unser Pulver nicht verschossen«, versicherte Kay Woodthorpe, eine stämmige Frau mit der Physiognomie eines Chihuahuas und Mitarbeiterin der Forschungsgruppe für bioregenerative Systeme. »Wenn alle Stricke reißen, probieren wir es eben mit künstlicher Schwerkraft.«
    »Wie wollen Sie das anstellen?«, fragte Carl Hanna. »Indem Sie die OSS in Rotation versetzen?«
    »Nein.« Julian schüttelte den Kopf. »Nur das Zuchtmodul, entkoppelt und einige Kilometer weit ausgelagert. Ein Gebilde wie die OSS eignet sich nicht als Kreisel. Dazu brauchte man ein Rad.«
    »So wie in den Science-Fiction-Filmen?«
    »Genau.«
    »Aber das haben Sie doch hier«, wandte Tautou ein. »Kein Rad zwar, aber achssymmetrische Elemente –«
    »Sie sprechen von einer Bernal-Sphäre, mein Freund. Das ist was anderes. Ein Rad, dessen Drehmoment der Rotationsgeschwindigkeit der Erde entspricht.« Julian zog die Stirn in Falten. »Stellen Sie sich einen Autoreifen vor oder einen zylindrischen Körper. Wenn er sich dreht, entstehen an der Innenwand, also gegenüber der Achse, Zentrifugalkräfte. Dort herrscht dann so was wie Schwerkraft. Wie in einem Hamsterrad können Sie eine in sich geschlossene Fläche entlanglaufen, prima Joggingstrecke übrigens, während die Schwerkraft zur Achse hin abnimmt. Im Prinzip machbar. Das Problem sind die erforderliche Größe und Stabilität einer solchen Struktur. Ein Rad von – sagen wir mal – 100 Metern Durchmesser müsste sich in 14 Sekunden einmal um sich selbst drehen, und wahrscheinlich würde die Schwerkraft an Ihren Füßen stärker auf Sie einwirken als am Kopf, weil Ihr Körper unterschiedlich stark beschleunigt wird. Außerdem, wenn man so was in Drehung versetzt – das kennen Sie vom Autofahren, wenn da ein Reifen nicht ausgewuchtet ist, schlingert das wie Hölle, und jetzt stellen Sie sich vor, eine rotierende Station beginnt zu eiern. Da laufen etliche Leute rum, wie wollen Sie dafür sorgen, dass die ständig gleichmäßig verteilt sind? Was da an Eigenschwingungen aufläuft, können Sie gar nicht mehr berechnen, allen wird speiübel, irgendwann bricht das Ding womöglich auseinander –«
    »Aber ihr habt das Zeitalter der Leichtbauweise doch hinter euch gelassen«, sagte Hanna. »Mit dem Fahrstuhl könnt ihr unbegrenzt Masse in den Orbit schaffen. Baut halt eine größere, stabilere.«
    »Wäre so etwas möglich?«, staunte Tautou. »So ein Ding wie in 2001?«
    »Sicher.« Julian nickte. »Ich kannte Kubrick. Der Alte hatte sich das sehr genau überlegt, oder sagen wir, überlegen lassen. Ich habe immer davon geträumt, seine Station nachzubauen. Dieses gewaltige Rad, das sich zu Walzerklängen dreht und in dem man umhergehen kann. Aber es müsste riesig sein. Viele Kilometer im Durchmesser. Hoher Orbit, stark gepanzert. Sodass eine komplette Stadt reinpasst mit Wohnvierteln, Grünanlagen, vielleicht mit einem Fluss –«
    »Ich finde das hier schon faszinierend genug«, sagte Sushma Nair zu ihrem Mann und drückte, erglühend vor Begeisterung, seinen Arm. »Schau dir das an, Mukesh. Spinat. Zucchini!«
    Sie schwebten eine meterhohe Glaswand entlang. Dahinter kräuselte sich allerlei Grün, sprossen Triebe, baumelten Früchte.
    »Eine Pionierleistung, Julian«, stimmte Mukesh zu. »Sie schaffen es, einen einfachen Bauern schwer zu beeindrucken.«
    »So wie Sie die Welt beeindruckt haben«, lächelte Julian.
    Nair, elender Tiefstapler, dachte Hanna.
    Während ein Scherflein Entschlossener in diesen Minuten den luftleeren Raum erkundete, besichtigten er, Eva Borelius, Karla Kramp, Bernard Tautou und die Nairs unter sachkundiger Führung Julians und Kay Woodthorpes die beiden Biosphären, jene riesigen, kugelförmigen Module, in denen die Abteilung Bioregenerative Lebenserhaltungssysteme mit Agrarwirtschaft und Nutztierhaltung experimentierte. Biosphäre A vereinte auf sechs Etagen Zucchini und Chinakohl, Spinat, Tomaten, Paprika und Broccoli, ein wahres Kleinitalien an Kräutern, außerdem Kiwis und Erdbeeren, das Ganze bevölkert von einer Fauna umtriebiger Roboter, die unablässig pflanzten, düngten, zupften, schnitten und ernteten. Hanna hätte sich nicht gewundert, karbonfaserverstärkte Kaninchen mit Radioteleskopohren am Salat knabbern und bei ihrem Herannahen fluchtartig entschweben zu sehen. Er legte den Kopf in den Nacken. Eine

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