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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Aileen.
    »Einen humanoiden Roboter. Er entdeckte Splitter in einem der Gelenke, die den Manipulator offenbar veranlasst hatten, sich abzuschalten.«
    »Klingt doch sehr vernünftig.«
    »Vorstellungen von Vernunft beschäftigen Maschinen nicht.« Haskin taxierte sie, als habe sie angeregt, Roboter nie ohne warme Socken nach draußen zu schicken. »Wir kamen überein, ihn das Gelenk reinigen zu lassen, was der Huros aber nicht konnte, darum schickten wir Thorn und eine Astronautin raus. Bloß, der Manipulator hatte sich gar nicht abgeschaltet. Er war nur vorübergehend in eine Art Elektrokoma verfallen. Plötzlich erwachte er wieder zum Leben und schleuderte Thorn in den Weltraum. Offenbar wurden dabei seine Lebenserhaltungssysteme beschädigt. Wir verloren den Kontakt zu ihm.«
    »Wie schrecklich«, flüsterte Aileen, aschfahl.
    »Tja.« Haskin schwieg einen Moment. »Er dürfte nicht lange gelitten haben. Möglicherweise bekam sein Visier einen Knacks ab.«
    »Dürfte? Haben Sie ihn denn nicht –?«
    »Leider nein.«
    »Ich dachte immer, man könnte einfach hinterher flitzen.« Aileen spreizte Daumen und Finger ihrer rechten Hand zu Flugzeugschwingen und durchpflügte die Luft. »So wie im Kino.«
    »Im Kino, ja«, sagte Haskin missbilligend.
    »Wir sollten aber auch erzählen, dass die neue Generation der Huros-Baureihe ihn wahrscheinlich hätte retten können«, sagte Lynn. »Außerdem wurde die Fernsteuerung der Raumanzüge weiterentwickelt. Wenigstens hätten wir Thorn zurückholen können.«
    »Wenn ich mich recht erinnere«, sagte Chambers, »gab es eine Untersuchung.«
    »Stimmt.« Lynn nickte. »Sie endete damit, dass wir eine japanische Firma für Robotik in Haft nahmen. Sie hatten den Manipulator konstruiert. Eindeutig ein Fall von Fremdverschulden. Thorns Tod war eine Tragödie, doch die Betreiber der OSS, also wir, wurden von jeder Schuld freigesprochen.«
    »Danke, Lynn.« Chambers schaute vom einen zum anderen. »Also, mir reicht das zur Aufklärung. Oder?«
    »Pioniertaten sind Opfertaten«, brummte Donoghue. »Der frühe Vogel fängt den Wurm, und manchmal wird er auch von ihm gefressen.«
    »Schauen wir uns halt noch ein bisschen um«, meinte Ögi.
    »Sie sind nicht überzeugt?«, fragte Lynn.
    Er zögerte.
    »Doch, ich denke schon.«
    Und da war es! Ein kaum wahrnehmbares Entgleisen ihrer Mundwinkel, die Kernschmelze von Panik in Lynns Blick, als sie
     
    den Sog verspürt, wie schon einmal, als sie in die Hölle hinabgerissen wurde, und sie fragt sich entsetzt, worauf sie sich bloß eingelassen hat. Vor Wochen hat es begonnen, dass sie Schwachstellen in ihrer Arbeit zu erblicken glaubt, wo definitiv keine sind. Heilige Eide ist sie zu schwören bereit, dass Julians Raumstation die ganze alberne Menschheit überdauern wird, während sie einzig im unteren Teil alle Augenblicke etwas explodieren oder auseinanderbrechen sieht. Und warum?
    Weil dieser Teil der einzige ist, den sie konzipiert hat und nicht Julian, der in ihre Verantwortung fällt!
    Dabei sind dieselben Designer dort am Werk gewesen, dieselben Architekten, Ingenieure, Bautrupps. In kaum etwas unterscheiden sich die Module ihrer Station von den übrigen: identische Lebenserhaltungssysteme, gleiche Konstruktionsweise. Dennoch quält Lynn unentwegt die Vorstellung, sie könnten fehlerhaft sein. Je mehr Julian ihre Arbeit preist, desto tiefer frisst sich Selbstzweifel in ihr Denken. Unablässig rechnet sie mit dem Schlimmsten. Ihre sonst so löbliche Vorsicht wächst sich zu einer Paranoia ständigen Misstrauens aus, wie besessen sucht sie nach Anzeichen ihres Versagens und wird umso nervöser, je weniger sie findet. Das OSS Grand bläht sich zum Popanz ihrer Überheblichkeit, bevor es wie eine Seifenblase zerplatzt, was hieße, Dutzende Menschen dem Tod zu überantworten. Vernietungen, Verstrebungen, Isolierungen, Ventilatoren, Elektrolysegeräte, Umwälzpumpen, Luftschleusen, Korridore, in allem erblickt sie das auseinanderstrebende Konstrukt ihrer selbst. Ihr überreizter Hypothalamus erodiert unter dem Ansturm von Adrenalin und Cortisol, sobald sie an das Hotel im Weltraum und das andere auf dem Mond nur denkt. Wenn Angst im theologischen Verständnis das Gegenteil von Glaube ist, die Trennung vom Göttlichen, dann ist Lynn zur Heidin schlechthin geworden. Die Angst vor der Zerstörung. Die Angst davor, zerstört zu werden. Ein und dasselbe.
    Irgendwann, am Grund ihrer Verzweiflung, hat sich ihr der Teufel im Gewand eines Gedankens

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