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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nicht hier sein, Vater! Sie baut ab. Herrgott, wie oft soll ich es dir noch sagen, Lynn ist am Ende. Sie wird das alles nicht durchstehen. Sie hat sich nie wirklich mit dem auseinandergesetzt, was vor fünf Jahren –«
    »He!« Julian starrte ihn an. »Spinnst du? Das hier ist ihr Hotel.«
    »Na und?«
    »Es ist ihr Werk! Gütiger Himmel, Tim! Lynn ist CEO von Orley Travel, sie muss hier sein.«
    »Muss! Klar.«
    »Komm mir bloß nicht auf die Tour! Hast du bei mir je irgendwas gemusst? Hab ich dich etwa daran gehindert, Lehrer zu werden und in deine verschissene Kommunalpolitik zu gehen, obschon dir bei Orley alle Türen offengestanden hätten?«
    »Darum geht es hier aber nicht.«
    »Darum geht's nie, was? Auch nicht darum, dass deine Schwester erfolgreicher ist als du und dir das insgeheim stinkt.«
    »Ach ja?«
    »Allerdings. Lynn hat überhaupt keine Probleme! Du hast welche! Du versuchst, sie als schwach hinzustellen, weil du selber nichts auf die Reihe kriegst.«
    »Das ist ja wohl der größte Blödsinn, den ich –« Tim zwang sich zur Ruhe und senkte die Stimme. »Glaub meinethalben, was du willst, ist mir doch egal. Gib einfach acht auf sie! Weißt du nicht mehr, was vor fünf Jahren war?«
    »Natürlich weiß ich das. Damals war sie erschöpft. Wenn du ihr Pensum schultern müsstest –«
    »Nein, Julian, sie war nicht erschöpft. Sie war ausgebrannt! Sie war krank, psychisch krank, willst du das endlich kapieren? Schwer depressiv! Suizidgefährdet!«
    Julian schaute sich um, als hätten die Wände Ohren.
    »Jetzt pass mal auf, Tim«, flüsterte er. »Lynn hat hart für all das hier gearbeitet. Die Menschen bewundern und verehren sie. Das hier ist ihre große Stunde. Ich werde nicht zulassen, dass du ihr da reinpfuschst, bloß weil du überall Gespenster siehst.«
    »Mann, du bist so was von abgehoben. Dermaßen vernagelt!«
    »Nein, du bist vernagelt. Warum bist du überhaupt mitgekommen?«
    »Um auf sie aufzupassen.«
    »Oh.« Julian ließ ein höhnisches Lachen hören. »Und ich dachte schon, es hätte eine winzige Kleinigkeit mit meiner Person zu tun. Entschuldige den sentimentalen Anflug. Was soll's. Ich werde mit ihr reden, okay? Ich werde ihr sagen, wie großartig sie alles gemacht hat, dass es perfekt ist, dass die Welt sie auf Händen trägt. In Ordnung?«
    Tim schwieg, während Julian sichtlich verdrossen Richtung Schleuse entschwebte. Von der anderen Seite her näherte sich O'Keefe.
    »Hey, Tim.«
    »Hallo, Finn. Geht's gut?«
    »Super, danke. Kommen Sie mit ins Picard, was trinken?«
    »Nein, wir sehen uns später beim Abendessen.« Tim überlegte. »Ich brauch noch was Faserverstärktes, 'ne faserverstärkte Krawatte. Ohne Faserverstärkung hält man das hier nicht durch.«
     

DER ABEND
     
    Der Mann mit den verschiedenfarbigen Augen interessierte sich sehr für die Kunst, 36.000 Kilometer über der Erde Steaks so zuzubereiten, dass sie außen brutzelnd braun und innen rosa waren, ohne dass ein einziger Tropfen Fleischsaft herauslief.
    Außerdem wollte er wissen, was die Menschen zum Mars zog.
    »Leben«, sagte Julian. »Wenn wir dort welches finden, ändert das unser Weltbild fundamental. Ich hätte gedacht, dass gerade dich die Vorstellung fasziniert.«
    »Tut sie auch. Was sagen denn die Experten so? Gibt es Leben auf dem Mars?«
    »Klar«, grinste Julian. »Spinnen.«
    »Spinnen vom Mars.« Der andere grinste zurück. »Daraus müsste sich eigentlich was machen lassen.«
    Wiederum interessierten sich eine Menge Leute aus der Gruppe für den Mann mit den verschiedenfarbigen Augen. Unglücklicherweise wurde Walo Ögi, sein größter Bewunderer, von Bernard Tautou und Oleg Rogaschow durch den Parcours der Wirtschaftskonversation getrieben, während Winter und Hsu in unergründlichem Einvernehmen mit Momoka Omura die therapeutische Wirkung von Luxus auf Herbstdepressionen erörterten. Warren Locatelli fehlte. Ebenso wie Paulette Tautou war er den verbündeten Kräften von Nervus vagus und diversen Neurotransmittern erlegen, die in einer als Brechzentrum bekannten Region des Hirnstamms die schwallartige Entleerung seines Magens betrieben.
    Dies außer Acht gelassen, wurde es ein glanzvolles Dinner.
    Die Lichter waren heruntergedimmt worden, sodass die Erde als riesiger Lampion durch den Glasboden erstrahlte. Zum ersten und einzigen Mal gab es Alkohol, Champagner aus schlanken, mit Saugstutzen versehenen Nuckelkelchen. Wie schon am Vorabend bestach das Essen durch erstaunliche Qualität.

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