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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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genähert und ihr eingeflüstert, dass sich die Angst vor der Hölle nur überwinden lässt, wenn man sich stehenden Fußes hineinbegibt. Wie entkommt man dem Kreislauf der Angst, etwas Entsetzliches könne geschehen? Welcher Ausweg bleibt, bevor man komplett den Verstand verliert? Wie wird man frei?
    Indem es geschieht!
    Die Frage ist natürlich, was von ihr bleibt, wenn sich ihr Werk als vergänglich erweist? Ist sie überhaupt mehr als eine Erfindung Julians, eine Filmfigur? Was, wenn Julian aufhört, sie zu denken, weil sie sich als nicht würdig erweist, gedacht zu werden? Droht ihr dann immerwährendes Leid? Ewige Verdammnis? Banales Vergehen? Oder muss sie vergehen, um strahlender denn je wiedergeboren zu werden? Wenn alles, worüber sie sich definiert und von anderen definiert wird, endet, wird sie dann endlich zum Vorschein kommen, die echte Lynn, falls es sie gibt?
     
    »Miss Orley? Ist Ihnen nicht gut?«
    »Kind, was hast du denn?« Aileens mütterliches Falsett. »Du bist ja wachsweiß.«
    »Lynn?« Tim neben ihr. Der sanfte Druck seiner Finger an ihrem Oberarm. Langsam beginnen sie sich zu drehen, ein geschwisterliches Doppelgestirn.
    Lynn, oh Lynn. Worauf hast du dich bloß eingelassen?
    »Hey, Lynn!« Weiße, schlanke Finger streichen ihr über die Stirn, violette Augen sehen sie an. »Alles okay? Was Schlechtes geraucht?«
    »Tut mir leid.« Sie blinzelt. »Ihr habt mich ertappt.«
    »Wobei denn ertappt, Kind?«
    Das Lächeln findet auf ihre Lippen zurück. Ein Pferd, das den Weg kennt. Tim sieht sie an, eindringlich. Will ihr sagen, dass er Bescheid weiß, aber er soll nichts sagen und sie nichts fragen! Lynn strafft sich, entkommt dem Sog. Ein Sieg für den Moment.
    »Raumkrank«, sagt sie. »Blöd, was? Ich dachte, mir würde das nie passieren, aber da hab ich wohl falsch gedacht. Gerade gingen mal eben die Lichter aus.«
    »Dann kann ich's ja zugeben«, grinst Ögi. »Mir ist auch flau.«
    »Dir?« Heidrun starrt ihn an. »Du bist raumkrank?«
    »Nun ja.«
    »Warum hast du denn nichts gesagt?«
    »Sei dankbar. Der Tag kommt, da sprechen meine Malaisen für mich. Geht's wieder, Lynn?«
    »Ja, danke.« Lynn streift Tims Hand ab. »Planen wir den Tag.«
    Ihr Bruder schaut sie unverwandt an. Klar, sagt sein Blick, du bist raumkrank. Und ich bin der Mann im Mond.
     
    Es gelang ihm, Julian beim Verlassen seiner Suite abzufangen, eine Stunde vor dem Abendessen. Tims Vater trug ein modisch geschnittenes Hemd mit Krawatte, die unvermeidlichen Jeans und elegante Slipper mit dem Emblem von Mimi Kri.
    »Du kannst dich bei ihr einkleiden, wenn du willst«, sagte er fröhlich. »Mimi hat eine Kollektion für den Aufenthalt in der Schwerelosigkeit und bei verminderter Gravitation entwickelt. Gut, was?« Er drehte sich einmal um seine eigene Achse. »Faserverstärkt, da kann nichts flattern. Nicht mal der Schlips.«
    »Julian, hör mal –«
    »Ach, bevor ich's vergesse, für Amber hat sie auch was mitgebracht. Ein Abendkleid. Zu dumm. Ich wollte sie damit überrascht haben, aber du siehst ja, was hier los ist. Die Meute lässt mir keine ruhige Minute. Sonst alles klar, Junge?«
    »Nein. Ich muss mit dir –«
    »Abendkleider in der Schwerelosigkeit, überleg mal!« Julian grinste. »Ist das nicht bekloppt? Vollkommen irre! Du könntest unter alle Röcke gucken ohne diese Verstärkungen. Marilyn Monroe wäre ein Waisenkind dagegen, wie sie auf diesem Luftschacht steht und von unten der Wind kommt und alles hochbläst, du weißt schon.«
    »Nein, weiß ich nicht.«
    Julian runzelte die Stirn. Endlich schien er Tim im Ganzen wahrzunehmen, einen zerknitterten Overall mit einem geröteten Flecken Mimik obendrauf, die nichts Gutes verhieß.
    »Den Film kennst du wahrscheinlich gar nicht, oder?«
    »Vater, es ist mir scheißegal, bei wem sich der Rock hebt. Kümmere dich verdammt noch mal um deine Tochter.«
    »Das tue ich. Seit sie auf der Welt ist, um genau zu sein.«
    »Lynn geht es nicht gut.«
    »Ach, das.« Julian schaute auf die Uhr. »Ja, sie hat's mir erzählt. Kommst du mit ins Kirk?«
    »Was erzählt?«, fragte Tim verblüfft.
    »Dass sie raumkrank geworden ist.« Julian lachte. »War sie bisher nämlich noch nie. Mich würde das auch wurmen!«
    »Nein, warte.« Tim schüttelte ungeduldig den Kopf. »Du verstehst nicht. Lynn ist nicht raumkrank.«
    »Sondern?«
    »Überfordert. Am Rande eines Nervenzusammenbruchs.«
    »Ich kann nachvollziehen, dass du besorgt bist, aber –«
    »Sie dürfte überhaupt

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