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Limonow (German Edition)

Limonow (German Edition)

Titel: Limonow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmanuel Carrère
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nostalgische Neonazis unter den Ustaschis (bei den Kroaten) und (bei den bosnischen Moslems, die bald aus der Kulisse springen werden) Djihadisten. Diese kleine Welt teilte eine paramilitärische Kultur, die sich, immer noch Jean Rolin zufolge, aus folgenden Bestandteilen zusammensetzte: »Tarnanzüge, grüne Barette und Ray-Bans; Kalaschnikows, Pump-Guns oder mit einer Reihe von Schlumpf-Aufklebern bestückte Uzi-Maschinengewehre; wilde Saufereien; nicht registrierte Geländewagen, die von ausgelassenen, tätowierten Tschetniks mit langen Haaren und flatternden Bärten überborden, welche auf der Rückkehr von der ›Front‹ oder irgendeiner Säuberungsaktion herumbrüllen, ihren Verstärker dröhnen und die Reifen quietschen lassen und günstigenfalls in die Luft und in anderen Fällen auf Menschen ballern; Huren, die in der Küche kichern, während man im Badezimmer mit einer Metallsäge die Rippen eines Verdächtigen aufschneidet; und auf einer Mauer das Graffiti: We want war, peace is death .«
    Jean Hatzfeld seinerseits zeigt die berühmteste dieser Milizen auf serbischer Seite am Werk. Es handelt sich um die »Tiger«, deren Chef – ein gewisser Želiko Ražnatović, eine vom Belgrader Zuhältergewerbe hochgeschätzte Persönlichkeit – sich seine Sporen als Kriegsverbrecher unter dem Namen Arkan verdient hat. Die Szene, der Eduard hätte beiwohnen können, spielt sich kurz nach der Kapitulation von Vukovar in einem Lagerhaus ab, in dem man kroatische Gefangene gesammelt hat, die man während der letzten Überfälle in Kellern aufstöberte, in denen sie Zuflucht gefunden hatten. Theoretisch stehen sie unter dem Schutz der Volksarmee, aber die Volksarmee hält sich entgegenkommenderweise heraus, um die Milizionäre von Arkan ihre Wahl untereinander treffen zu lassen. Diese Wahl entscheidet sich zumeist aufgrund von persönlichen Animositäten, denn Sieger und Besiegte kannten sich zu nicht besonders fernen Zeiten bestens, als es niemanden scherte, ob einer Serbe oder Kroate war. Sie bewohnten dieselben Dörfer und dieselben Viertel. Diese abscheulichen, vor Angst gelähmten Gefangenen waren gestern noch die Nachbarn und Werkstatt- oder Bistrokollegen derer, die sie jetzt mit Kolbenschlägen in Militärfahrzeuge mit unbekanntem Ziel treiben.
    Hatzfeld beschreibt Arkan, der die Operation anführt, als eine Art Rambo. Einen seiner Männer liest Hatzfeld am nächsten Tag beim Trampen auf, es ist ein munterer, junger, sympathischer, sportlicher Kerl, der gerade mit der Erlaubnis, seine Mutter zu besuchen, nach Hause fährt und vergnügt erzählt, was er und seine Freunde mit den Ustaschis  – das heißt den Kroaten – machen, die ihnen in die Hände fallen: »Die Reifeprüfung besteht darin, einem knienden Gefangenen ganz langsam die Halsader aufzuschneiden. Wer zu nervös handelt«, präzisiert der Junge, »muss von vorn anfangen, nur wenige haben sich bislang geweigert, und die gehören übrigens nicht mehr zur Patrouille. Das erste Mal fühlt es sich natürlich komisch an«, sagt er, »aber danach ist man froh, einen drauf zu machen.«
    Es lag mir am Herzen, dieses Zeugnis zu zitieren, bevor ich Eduards Version wiedergebe, der Arkan nach seiner Begegnung mit ihm in dessen Hauptquartier in Erdut, in der Nähe von Vukovar, als »fein und umsichtig« beschreibt und stolz ist, dass dieser ihn sofort von einem x-beliebigen Journalisten zu unterscheiden vermochte. Sie tranken zusammen Sliwowitz und stimmten in allem überein: Gorbatschow und Jelzin gehörten zusammen mit Tudjman und Genscher erschossen, in Russland müsse man Revolution machen, französische Intellektuelle, die Kroaten unterstützten, seien verantwortungslos usw. Eduard fragte Arkan, ob er russische Freiwillige bei sich aufnähme. »Jeder ist bei uns willkommen«, antwortete Arkan großzügig. Eine schöne Freundschaft wurde an diesem Tag geboren, und als Eduard einige Monate später in Le Monde las, dass eine Auseinandersetzung in Bosnien zwischen Serben und Moslems zum Vorteil der Milizionäre von Arkan ausgegangen war, stiegen ihm geradezu die Tränen in die Augen. Er suchte das Foto heraus, auf dem Arkan und er mit dem kleinen Luchs posieren, der das Maskottchen der Abteilung war, und beim Betrachten fühlte er sich von einer außergewöhnlichen Nostalgie überwältigt. »Arkan, mein Bruder, wie gern wäre ich noch einmal an deiner Seite! Wie sehne ich mich danach, in den Krieg und in die Berge des Balkans zurückzukehren!«
    3
    Als die

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