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Limonow (German Edition)

Limonow (German Edition)

Titel: Limonow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmanuel Carrère
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alten Buchausgaben, der eine ganze Sammlung von Hymnen an Stalin in alle erdenkliche Sprachen übersetzte und sich vor Angst in die Hosen machte wegen seines eigenen Doktor Schiwago , dieser Hymne an die Feigheit der russischen Intelligenzija   …«
    Schließen wir die Anführungszeichen.
    Nach der Lesung gibt es eine Soiree. Wer eingeladen ist oder nicht, ist nicht klar, und so folgt Eduard Schmakow; sie drücken sich in einen Wagen, der auf eine der feinsten Gegenden zusteuert, und landen in einem dreistöckigen Haus mit einem Garten auf den East River, einer Küche von der Größe eines Ballsaals und einer Inneneinrichtung wie in einer Architekturzeitschrift: Es ist noch schöner als bei den Libermans. Dazu gibt es ein entsprechendes Buffet, Champagner und so eisgekühlten Wodka, dass er runterläuft wie Öl. Etwa dreißig russische und amerikanische Gäste sind versammelt; der einzige, den Eduard kennt, ist Baryshnikov, und den meidet er tunlichst. Eine junge Frau namens Jenny mit einem runden, freundlichen Gesicht begrüßt die Angekommenen. Eduard fragt sich, ob sie die Hausherrin sei. Nein, dafür ist sie zu jung: eher die Tochter des Hauses. Einige küssen sie, andere nicht, und er bedauert, bei seiner Ankunft nicht die Kühnheit besessen zu haben, sie auch zu küssen.
    Mit Hilfe des Wodkas wird er gelassener; er zieht sein jamaikanisches Gras aus der Tasche, das er immer bei sich hat, und beginnt, Joints zu drehen. In der Küche bildet sich ein Grüppchen um ihn herum. Jenny, die geschäftig von einem Zimmer zum anderen patrouilliert und alles überwacht, nimmt jedes Mal, wenn sie vorbeikommt, einen Zug, und jedes Mal scherzt er mit ihr auf noch vertrautere Art, als würden sie sich schon lange kennen. Man kann nicht behaupten, dass sie hübsch ist, aber sie hat etwas Offenes, Zugängliches, fast Bäuerliches, das – vor allem im Kontrast zu diesem luxuriösen Drumherum – dafür sorgt, dass man sich wohl fühlt. Er wird immer betrunkener und immer herzlicher. Er nimmt die Leute bei den Schultern und erzählt wieder und wieder, er habe eigentlich gar nicht kommen wollen, aber damit sei er im Unrecht gewesen: Seit langer Zeit habe er keinen so angenehmen Abend verbracht. Er hat den Eindruck, alle lieben ihn. Später steigen die Dichterin und ihr Mann hinauf in die erste Etage, wo man ein Zimmer für sie reserviert hat, die letzten Schluckspechte gehen, und er – er hilft den Aushilfskellnern beim Abräumen. Dann gehen auch die Aushilfskellner. In der Küche bleiben nur noch Jenny und er zurück. Sie kommentieren den Abend wie ein Paar, nachdem die Gäste gegangen sind. Er dreht einen letzten Joint, reicht ihn ihr hinüber, dann küsst er sie. Sie lässt sich küssen und lacht für seinen Geschmack ein wenig zu laut, doch als er weitergehen will, weicht sie aus. Er kann insistieren, soviel er will, sie gibt nicht nach. Als letztes Mittel schlägt er vor, zusammen zu schlafen, »ohne etwas zu machen«. Sie schüttelt den Kopf: Nein, nein, diese Tricks kennt man, er muss jetzt nach Hause.
    Nach Hause! Wenn sie wüsste, was das ist, sein Zuhause! Der lange Rückweg zu Fuß durch den Eisregen im Februar ist grausam, und sein Zimmer erscheint ihm tausendmal heruntergekommener als zehn Stunden zuvor, als er es verließ. Doch er besitzt ihre Telefonnummer, sie hat ihm gesagt, er solle sie anrufen, und das tut er gleich am nächsten Tag, doch nein, heute geht es nicht, es sind Gäste eingeladen. Und ich, denkt er, ohne dass er es auszusprechen wagt, kann ich nicht miteingeladen werden? Zwei Tage später geht es auch nicht, weil die Schwester von Steven für eine Woche da ist. Er weiß weder, wer Steven ist, noch, wer dessen Schwester ist; wegen seines schlechten Englischs versteht er am Telefon auch nur die Hälfte von dem, was sie sagt, aber er glaubt, sie lasse ihn abblitzen und verzweifelt. Er bleibt eine Woche lang im Bett, ohne aufzustehen. Er weint ununterbrochen. Hinter der Zimmerwand hört er die Kabel des Lifts quietschen, in den die Hotelbewohner schamlos hineinpissen, und er denkt an das Leben, das er führen würde, wenn es ihm gelänge, diese reiche Erbin zu verführen.
    Eines Sonntagnachmittags willigt sie endlich in einen Besuch ein. Sie ist allein zu Haus. Es hat aufgehört zu regnen, und sie trinken Kaffee in dem kleinen Privatgarten, von dem aus man den Fluss sieht. Sie trägt eine Jogginghose, die Fußgelenke erkennen lässt, die für eine reiche Erbin erstaunlich stämmig sind, denkt er,

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