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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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er bewies eine unglaubliche Ausdauer. Wenn Lee die Truppen inspizierte, machte sich Traveller mit weit ausgreifendem Galopp auf den Weg und änderte niemals seine Gangart. Die Männer waren manchmal über eine Strecke von zehn Meilen verteilt, und Traveller galoppierte den ganzen Weg über, während die Pferde der Offiziere eines nach dem anderen zurückfielen.
     
    FREDERICKSBURG LAG NUR fünfzig Meilen südlich von D.C., doch es war eine vollkommen andere Welt. Der Judasbaum und die Forsythie standen in voller Pracht, und überall blühte der Hartriegel.
    Ich brachte uns im Fredericksburg Inn unter, einem großen alten Gasthof mit einer breiten Veranda. Ich bat um zwei nebeneinanderliegende Zimmer und sagte dem Angestellten, daß ich sie mir ansehen wollte, bevor wir uns eintrugen. Der Mann gab mir den Schlüssel, und wir gingen nach oben. Die beiden Zimmer waren eigentlich eine Suite im zweiten Stock an einem der Enden des Gebäudes. Von einem der beiden Schlafzimmerfenster aus konnte ich den Parkplatz sehen, und den Rappahannock vom anderen. Am anderen Ende des Korridors war eine Feuerleiter, die zu einem weiteren, kleineren Parkplatz hinunterführte, der von der Vorderseite des Gebäudes aus nicht einzusehen war.
    Ich ließ Annie im Zimmer zurück, ging nach unten und trug uns als Mr. und Mrs. Jeff Davis ein. Der Angestellte grinste, als er das las. Ich erwog, ihm zu erklären, daß eventuell ein wütender Ehemann auftauchen würde, und ihm zwanzig Dollar zu geben, damit er dem Ehemann sagte, wir wären nicht da. Statt dessen grinste ich zurück und sagte: »Nein, kein Verhältnis. Falls jemand danach fragt«, und ging hinaus, um den Wagen auf den kleinen Parkplatz an der Treppe zu fahren und das Gepäck zu holen.
    Als ich wieder in der Suite war, stellte ich meine Tasche ins Zimmer mit der Aussicht auf den großen Parkplatz und Annies Gepäck ins andere.
    »Du kannst dich entspannen«, sagte ich zu ihr. »Richard hat keinerlei Möglichkeit herauszufinden, wo wir sind. Broun wußte als einziger, daß ich nach Fredericksburg fahren würde, und der ist in Kalifornien. Du kannst loslegen und auspacken, und dann besorgen wir uns etwas zum Frühstück.«
    Ich ging in den anderen Schlafraum hinüber, schloß die Tür und rief Brouns Anrufbeantworter an, um mich zu vergewissern, daß Broun nicht den Namen des Hotels oder dessen Telefonnummer auf dem Apparat hinterlassen hatte. »Ich bin im sonnigen Kalifornien und recherchiere ein bißchen für mein neues Buch«, sagte Brouns Stimme. »Wenn Sie Ihren Namen und Telefonnummer hinterlassen, werde ich Ihre Nachricht über Fernabfrage abhören und Sie sobald wie möglich zurückrufen.«
    Gut. Er hatte keine Nummer hinterlassen, und er hatte nichts davon erwähnt, daß sein Assistent die Anrufe abhören würde. Er hatte es ernst damit gemeint, als er sagte, ich solle mir einige Zeit freinehmen. Ich überlegte, ob er seine Nummer in Kalifornien jemand anderem gegeben haben konnte. Seiner Agentin wahrscheinlich, aber diese würde keinem Fremden gegenüber mit Informationen herausrücken, selbst wenn er behauptete, Jeffs alter Stubenkamerad zu sein. McLaws und Herndon vielleicht, obwohl ich bezweifelte, daß er ihnen gesagt haben würde, er habe sich nach Kalifornien abgesetzt, wo er doch eigentlich an den Druckfahnen arbeiten sollte.
    Ich gab den Fernbedienungscode ein, der mir alle in dem Apparat gespeicherten Nachrichten vorspielen würde. Es gab einen Klick und dann ein kurzes schwirrendes Geräusch, als der Motor zurückspulte, einen weiteren Klick, und Broun sagte: »Jeff, ich bin in Kalifornien und muß den verdammten Nebel mit hergebracht haben. Ich werde den prodromalen Traumexperten morgen treffen. Ruf mich an, wenn du mit den Druckfahnen irgendwelche Schwierigkeiten hast. Und gönn dir etwas Ruhe. Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Ich packte die Tasche aus, die ich am Abend zuvor eilig gepackt hatte, und öffnete die Schachtel mit den Druckfahnen. Obenauf lagen Bücher. Ich konnte mich nicht daran erinnern, irgendwelche Bücher eingepackt zu haben. Ich nahm das oberste heraus. Es war der zweite Band Freeman. Ich setzte mich aufs Bett und nahm die anderen drei schweren Bände heraus, einen nach dem andern.
    Ein Soldat auf der Flucht vom Schlachtfeld mochte manchmal noch Meilen später feststellen, daß er sein Gewehr immer noch umklammert hielt, oder seinen Hut, oder ein halbgegessenes Stück Zwieback, und daß er sich ebensowenig daran erinnern konnte wie an die

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