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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Tatsache, daß er weggelaufen war. Und hier waren wir nun fünfzig Meilen vom Schlachtfeld entfernt in einer Suite im Fredericksburg Inn und mit Freemans R. E. Lee und wer weiß was noch nicht alles in Annies Matchbeutel, zwei arme Republikaner auf der Flucht. Doch früher oder später würde der Soldat anhalten und darüber nachdenken, was als nächstes zu tun sei, und ich hatte keine Ahnung, was das sein könnte. Ich hatte nicht weiter gedacht, als wie ich Annie vor Richard in Sicherheit bringen könnte.
    Das hatte ich geschafft, und wir konnten mindestens eine Woche und vielleicht noch länger hier bleiben, falls Broun in Kalifornien blieb, aber früher oder später würden wir nach D.C. zurückfahren müssen, und früher oder später würden wir über die Träume sprechen müssen.
    Aber jetzt noch nicht. Es war unmöglich zu sagen, wieviel Thorazin sie immer noch im Körper hatte oder wie lange es dauern würde, bis alles heraus war. Dr. Stone hatte gesagt, daß es zu einem ›Traumgewitter‹ kommen konnte, wenn man jemandem Sedativa abrupt entzog. Ich würde nicht darauf bestehen, die Ursache von Robert E. Lees Träumen herauszufinden, wenn sie dabei war, eigene Alpträume zu träumen. Was sie jetzt im Moment brauchte, das war ein Frühstück und etwas Erholung und ein Urlaub von dem ganzen verrückten Durcheinander.
    Auf der Eichenkommode neben dem Bett lag eine Hochglanzbroschüre. Ich hob sie auf. Vielleicht konnten wir einen Spaziergang rund um das historische Fredericksburg machen und uns einige der Sehenswürdigkeiten ansehen. »Amerikas Schlachtfeld«, stand in der Broschüre. »Besuchen Sie die historischen Schlachtfelder des Bürgerkriegs. Wo 100.000 gefallen sind! Folgen Sie den Fußstapfen der Generäle. Der Führer für Ihre Besichtigungstour.«
    Ich dachte daran, wie Annie auf halber Höhe des Hügels bei Arlington gestanden und auf die verschneiten Wiesen hinabgeschaut hatte. Fredericksburgs Schlachtfelder waren ebenfalls in einen Nationalfriedhof umgewandelt worden, auf dem zwölftausend unbekannte Soldaten begraben waren.
    Vielleicht hätte ich sie nicht hierherbringen sollen, dachte ich. Sie hatte bislang noch nicht von Fredericksburg geträumt, und ich wollte nicht, daß sie es tat. Die Schlacht war ein einziges Gemetzel gewesen, bei dem die Unionssoldaten über eine flache Ebene zu der Marye’s Heights genannten Hügelkette vorzudringen versucht hatten. Aber Lee hat gewonnen, dachte ich. Vielleicht träumt er nicht von gewonnenen Schlachten.
    Die übrigen Attraktionen waren, vorsichtig ausgedrückt, weniger bedeutend: James Monroes Anwaltspraxis, Mary Washingtons Landhaus und Kenmore, eine südlich gelegene Plantage, wo George Washingtons Schwester Betty Fielding Lewis gelebt hatte, aber als ich auf der Karte nachsah, befand sich keine von ihnen in der Nähe des Schlachtfelds, was bedeutete, daß wir auf Besichtigungstour gehen und Fahnen lesen und das tun konnten, weswegen Broun mich hierhergeschickt hatte, nämlich den Doktor über seine Akromegalie zu interviewen.
    Ich kramte die Nummer, die mir Broun gegeben hatte, aus meiner Brieftasche und rief Dr. Barton an. Der Anschluß existierte nicht mehr. Ich öffnete die Schubladen der Eichenkommode, bis ich ein Telefonverzeichnis gefunden hatte, und schlug seinen Namen unter ›Ärzte‹ im Branchenteil nach. Es gab keinen Eintrag. Auf den weißen Seiten war ein Barton aufgeführt, aber ohne ein ›Dr.‹ hinter seinem Namen. Broun hatte gesagt, er sei so alt, daß seine Akromegalie noch nicht hatte behandelt werden können. Vielleicht hatte er sich zur Ruhe gesetzt. Ich wählte die Nummer.
    »Praxis Dr. Barton«, sagte eine Frauenstimme.
    »Gut«, sagte ich. »Hier ist Jeff Johnston. Ich bin Thomas Brouns Rechercheur. Ich würde mich gerne mit Dr. Barton verabreden.«
    »Geht es dabei um ein Pferd?« sagte sie.
    »Nein«, sagte ich und schielte nach Brouns Zettel. »Bin ich mit Dr. Henry Bartons Praxis verbunden?«
    »Ja.«
    »Dr. Bartons Name wurde meinem Arbeitgeber von Dr. Stone in Washington D.C. genannt. Ich recherchiere für Mr. Brouns neues Buch, und ich würde Dr. Barton gern ein paar Fragen stellen.«
    »Oh, wie interessant«, sagte sie. »Ich bin sicher, daß mein Mann sich mit Ihnen treffen möchte. Lassen Sie mich im Terminkalender nachsehen.« Es entstand eine Pause. »Wäre es Ihnen irgendwann nächste Woche recht? Er hat sehr viel zu tun. Es ist Frühling, wie Sie wissen.«
    Ich wußte nicht, warum es im Frühling so viel zu

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