Linda, H: Winterherzen: Für morgen, für immer
schon bin, wenn ich die Arbeitslosigkeit einem guten Angebot vorzöge. Mit Stolz kann ich meine Rechnungen nicht bezahlen.“
„Ja, es ist das Vernünftigste“, bestätigte Martine und setzte sich. Noch immer lag dieser seltsame Ausdruck auf ihrem Gesicht, und dann lächelte sie plötzlich. „Er versetzt dich nach Dallas, damit du bei ihm bist, stimmt’s? Der Mann liebt dich!“
„Sehr unwahrscheinlich.“ Claires Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. „Lug und Betrug sind nicht gerade Anzeichen von Liebe. Ich liebe ihn, wie du bestimmt längst gemerkt hast, obwohl ich es nicht mehr dürfte. Aber ich kann meine Gefühle nicht einfach abstellen wie einen Wasserhahn.“
„Wenn ich zurückdenke, wie er dich immer angesehen hat …“,überlegte Martine laut. „So … ach, ich weiß nicht … so hungrig, so als ob er dich verschlingen wollte. Mir lief immer ein Schauer über den Rücken, wenn ich bemerkte, wie er dich ansah. Ein angenehmer Schauer, wenn du weißt, was ich meine.“
Claire schüttelte den Kopf. „Versuch nicht, mir einzureden, dass er je etwas anderes als ein Mittel zum Zweck in mir gesehen hat. Du weißt doch, wie gut er aussieht. Warum sollte ausgerechnet er an mir interessiert sein?“
„Warum sollte er nicht? In meinen Augen wäre er ein Dummkopf, wenn er dich nicht liebte.“
„Dann sind viele Männer Dummköpfe.“
„Unsinn. Du hast dich nur nie lieben lassen. Du lässt nie jemanden nahe genug an dich heran, um dich richtig kennenzulernen. Aber Max ist intelligenter als die meisten anderen Männer. Warum sollte er dich nicht lieben?“, beharrte Martine eindringlich.
„Weil ich nicht wundervoll bin, so wie du.“
„Natürlich bist du nicht wundervoll so wie ich. Du bist wundervoll wie du selbst!“ Mit ungewöhnlich ernster Miene setzte Martine sich zu Claire auf die Liege. „Weißt du, was Steve einmal zu mir gesagt hat? Dass er wünschte, ich wäre ein bisschen mehr wie du, dass ich so wie du denken würde, bevor ich handle. Ich habe ihn natürlich geboxt und ihn gefragt, was ihm denn noch alles an dir gefalle. Er sagte, deine großen dunklen Augen – er nannte sie ‚Schlafzimmeraugen‘ –, und ich hätte ihn am liebsten mehr als nur geboxt. Blauäugige Blondinen wie mich gibt es dutzendweise, aber wie viele dunkeläugige Blondinen gibt es schon? Ich war immer schrecklich neidisch, weil du die Männer nur anzusehen brauchtest, und schon waren sie bereit, vor dir auf die Knie zu sinken. Du scheinst es aber nie bemerkt zu haben, und deshalb gaben schließlich alle auf.“
Claire starrte Martine ungläubig an. Es schien ihr unfassbar, dass die wundervolle Martine jemals auf sie eifersüchtig gewesen sein könn te.
„Aber Max hat nicht aufgegeben, stimmt’s?“
Zerstreut erwiderte Claire: „Er weiß überhaupt nicht, was dasWort ‚aufgeben‘ bedeutet.“ Sie war es nicht gewöhnt, so offen mit jemandem zu reden, und sie erfuhr dabei Dinge über sich selbst, die sie nie vermutet hatte. Stimmte es, dass andere Menschen nicht nahe genug an sie herankamen, um Gefühle für sie zu entwickeln? Noch nie hatte sie es von diesem Standpunkt aus betrachtet. Sie hatte stets geglaubt, dass sie Distanz wahrte, um selbst keine Gefühle zu entwickeln. „Max will mich nicht in Ruhe lassen. Er beharrt darauf, dass es nicht vorbei ist“, erklärte sie. „Er wurde nach Dallas beordert, und als er hierher zurückkam, hatte ich bereits seinen richtigen Namen und seinen Auftrag erfahren. Er rief mich an, aber ich weigerte mich, ihn zu sehen. Und nun bin ich nach Dallas versetzt worden.“
„In sein Gebiet. Ein sehr geschickter Schachzug.“
„Ja, ich weiß. Aber er hat es nur getan, weil ich eine Herausforderung für ihn bin. Was meinst du wohl, wie viele Frauen ihm je widerstanden haben?“
„Wahrscheinlich bist du die erste.“
„Ja. Nun, ich brauche Arbeit, und deshalb werde ich gehen. Was würdest du an meiner Stelle tun?“
„Ich würde gehen“, gab Martine lachend zu. „Wir sind uns anscheinend ähnlicher, als du glaubst. Ich würde ihn nie in dem Glauben lassen, dass ich vor ihm davonlaufe.“
„Genau!“ Claires Augen wurden beinahe schwarz. „Er macht mich so wütend, dass ich ihn anspucken könnte!“
„Zeig’s ihm, Honey!“ Insgeheim freute Martine sich über den Zorn auf dem Gesicht ihrer Schwester. Denn allzu oft verbarg Claire ihre Gefühle. Selbst nach dem Verlust des Babys hatte sie ruhig und gefasst gewirkt. Doch Max war es endlich gelungen, sie
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