Linda Lael Miller
sie
sich neben ihr auf den Teppich setzte, und Elisabeth lächelte über das kleine
Taftkleid und die gemalten Haare.
»Komm
schon, Trista. Dein Vater würde dich nicht ohne Grund in dein Zimmer schicken.«
»Na ja, es
war kein sehr guter Grund.«
Elisabeth
hob die Augenbrauen und wartete. Trista seufzte schwer. Die schmalen Schultern
zuckten.
»Ich konnte
nichts dazu«, sagte sie. »Ich habe meiner Freundin Vera von dir erzählt, und
sie hat allen in der Gegend erzählt, daß Papa eine nackte Frau hier hatte.
Jetzt muß ich nach der Schule einen ganzen Monat lang jeden Tag sofort in mein
Zimmer gehen.«
Elisabeth
berührte den schimmernden dunklen Zopf des Kindes. »Es tut mir leid, Süße. Ich
wollte dich nicht in
Schwierigkeiten bringen. Ich muß dich allerdings darauf hinweisen, daß ich
nicht nackt war. Ich habe ein Football-Jersey getragen.«
»Du hast
mich nicht in Schwierigkeiten gebracht«, sagte Trista. »Vera war das. Und was
ist ein Football-Jersey?«
»Ein sehr
schickes Unterhemd. Ist dein Papa zu Hause, Trista?«
Das Mädchen
nickte. »Ich glaube, er ist im Stall. Vielleicht kannst du ihm sagen, daß ein
Monat zu lang ist für ein Mädchen, um ins Zimmer gesperrt zu werden.«
Elisabeth
lachte leise und küßte das Kind auf die Stirn. »Tut mir leid, Kleines. Es steht
mir nicht zu, deinem Vater zu sagen, wie er seine Tochter aufziehen soll.«
Behutsam nahm Elisabeth die Halskette ab und legte sie in eine kleine
Glasschale auf Tristas Schreibpult. »Du hebst das für mich auf, ja?«
Trista
nickte und betrachtete sie neugierig. »Ich habe noch nie eine Lady gesehen, die
Hosen trägt«, meinte sie. »Und ich wette, du hast auch kein Korsett.«
Elisabeth
lächelte über ihre Schulter zurück, als sie die Tür öffnete. »Diese Wette
gewinnst du«, sagte sie.
Auf dem
Korridor hingen wieder die Bilder von finster dreinblickenden Männern mit
Bärten und stahlharten Augen und von in Kattun gekleideten Frauen. Der Läufer
mit dem Rosenmuster lag wieder auf dem Fußboden. Sie eilte die Hintertreppe
hinunter, die auch anders war als jene, die sie kannte, und ging durch die Küche.
Neben der
Hintertür hing an der Außenwand ein Waschzuber, Hühner gackerten und kratzten
auf dem Hof. Eine Frau stand in der Nähe und hängte Kattunschürzchen und
kragenlose weiße Blusen auf eine Wäscheleine. Sie bemerkte Elisabeth nicht.
Ehefrau?
Haushälterin? Elisabeth entschied sich für letztere. Als Jonathan ihr bei ihrem
ersten Besuch die Halskette entriß, hatte er von seiner Frau in der Vergangenheit
gesprochen.
Als sie
durch die breite Tür eines großen, nicht angestrichenen
Stalls trat – der in ihrer Zeit eine nackte Ruine war – sah sie goldenes Heu
von einem Heuboden fallen. Ein Mann sang ein Lied, das Elisabeth zum Lächeln
brachte.
»Jonathan?«
rief sie. Das Singen verstummte sofort.
Jonathan
blickte vom Heuboden herunter. Seine nackte Brust glänzte vom Schweiß. In der
Hand hielt er eine Gabel. In seinen dunklen Haaren hingen kleine Halme. Etwas
in Elisabeth verspannte sich bei seinem Anblick.
»Sie!« Sein
Ton war so drohend, daß Elisabeth fluchtbereit einen Schritt zurückwich. »Bleiben
Sie da stehen!« Er kletterte die roh zusammengezimmerten Sprossen an der Wand
neben dem Heuboden herunter, blieb zwei Meter vor Elisabeth stehen und sah sie
erstaunt und verärgert zugleich an. Dann zog er ein Taschentuch aus der Hose
und trocknete seine Stirn.
Elisabeth
fand seinen Anblick und seinen Duft unerklärlich erotisch, obwohl sie ihre
vorherrschende Empfindung als nackte Angst beschrieben hätte.
»Hosen?«
wunderte er sich und schob das Taschentuch zurück. »Wer sind Sie, und wohin
sind Sie in der anderen Nacht verschwunden, zum Teufel?«
Elisabeth
schlang die Finger hinter ihrem Rücken ineinander und verbarg die unsinnige
Freude über das Wiedersehen. »Wo ich herkomme, tragen viele Frauen Hosen.«
Er ging zu
einem Eimer auf einer Bank neben der Wand und hob eine Schöpfkelle voll Wasser
an seinen Mund. Elisabeth betrachtete die schweißigen und harten Muskeln an
seinem Rücken, wie sie arbeiteten, als er schluckte und die Schöpfkelle wieder
an ihren Platz legte.
»Sie sehen
nicht wie eine Chinesin aus«, sagte er schließlich.
»Hören Sie,
Sie würden mir nie glauben, woher ich wirklich komme, aber ich ... ich kenne
die Zukunft.«
Er
schüttelte leise lachend den Kopf, und Elisabeth erinnerte sich an seinen
Doktortitel. Der typische Mann der Wissenschaft. Jonathan glaubte
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