Linda Lael Miller
wahrscheinlich
nur an Dinge, die er in logische Komponenten zerlegen konnte. »Niemand kennt
die Zukunft«, behauptete er.
»Ich schon«,
beharrte sie, »weil ich dort war. Und ich bin hier, um Sie zu warnen.« Sie
schluckte schwer, als er sie mit diesen vernichtend intelligenten Augen betrachtete.
»Wovor?«
Elisabeth
schloß kurz die Augen und zwang sich zu einer Antwort. »Vor einem Feuer. Es
wird ein schreckliches Feuer geben, in der dritten Juniwoche. Teile des Hauses
werden zerstört werden, und Sie und Trista werden ... werden verschwinden.«
Jonathans
rechte Hand schoß vor und legte sich wie eine Stahlklammer um ihren Arm. »Wer
sind Sie, und aus welcher Anstalt sind Sie ausgebrochen?« fauchte er.
»Ich habe
es Ihnen schon gesagt – mein Name ist Elisabeth McCartney. Und ich bin nicht
verrückt!« Sie versuchte sich loszureißen. »Zumindest glaube ich das ...«
Er zog sie
in das schwindende Sonnenlicht an der Tür. »Ihr Haar« , murmelte er. »Keine
Frau, die ich je gesehen habe, trägt ihr Haar seitlich so kurz. Und Ihre Kleider
...«
Elisabeth
seufzte. »Jonathan, ich stamme aus der Zukunft«, sagte sie direkt heraus. »Frauen
kleiden sich so in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.«
Er berührte
wieder ihre Stirn. »Kein Fieber«, murmelte er.
»Schätze,
darüber hat man an der Uni nichts gelernt, wie?« Sie wurde gereizt, weil er sie
mehr wie eine weiße Maus in einem Labor zu sehen schien und nicht wie eine
Frau. »Nun, ich habe noch etwas für Sie, Doc. Man läßt die Leute nicht mehr von
Blutegeln annagen, und es gibt noch immer kein Heilmittel gegen
Schuppenflechte. Und lassen Sie meinen Arm los, Fortner, verdammt! Sie drücken
ihn mir ab.«
Er ging
durch den Stall, nahm ein Hemd von einem Haken und schlüpfte hinein. »Wie sind
Sie letzte Nacht aus meinem Haus verschwunden, Miss McCartney?«
Sie wartete
am Tor auf ihn. »Ich habe es Ihnen gesagt. Es gibt einen Durchgang zwischen
Ihrer Zeit und meiner. Sie und ich sind Mitbewohner, wenn man so will.«
Jonathan
schob sie zum Haus. Von der Frau, die Wäsche aufgehängt hatte, war nichts zu
sehen. Er dirigierte Elisabeth die Stufen hinter dem Haus hinauf und durch die
Tür in die Küche. »Man hat Ihnen die Haare bestimmt in der Anstalt
abgeschnitten.«
»Ich war
nie in einer Anstalt«, informierte sie ihn. »Außer am College. Als Teil des
Psychologieprogramms haben wir eine Anstalt für Geisteskranke besucht.«
Jonathans
Zähne schimmerten unglaublich weiß in seinem schmutzigen Gesicht. »Setzen Sie
sich!«
Elisabeth
gehorchte und sah zu, wie er einen Kessel vom Herd nahm und heißes Wasser in
ein Waschbecken füllte. Er fügte kaltes Wasser aus der Pumpe über dem Spülstein
hinzu und begann, sich mit einer intensiv riechenden gelben Seife zu waschen.
Elisabeth konnte nicht wegsehen, obwohl das Beobachten irgendwie unglaublich
intim war.
Bis er sich
zu ihr wandte und sich mit einem Damasthandtuch abtrocknete, war ihr ganzer
Körper warm und von schmerzlicher Sehnsucht erfüllt, und sie wagte nicht zu
sprechen. Der Mann war so kompromißlos maskulin, daß seine bloße Gegenwart
dazu führte, daß sich verborgene Stellen in ihr öffneten.
Jonathan
nahm seine Arzttasche von einem Regal und öffnete sie. »Zuerst werde ich Sie
untersuchen, Miss McCartney«, sagte er und griff nach einem Stethoskop. »Öffnen
Sie den Mund und sagen Sie Aah!«
»O Mann«,
murmelte Elisabeth, öffnete jedoch gehorsam den Mund.
Kapitel 5
»Sind Sie zufrieden?« fragte Elisabeth,
als Dr. Jonathan Fortner die Untersuchung beendet hatte. »Ich bin absolut
gesund.«
Frisch
gebügelte Hemden hingen an einem Haken an der Wand hinter einem hölzernen
Bügelbrett. Jonathan holte eines
herunter und zog es an. Elisabeth versuchte, die angeborene männliche Anmut in
den Bewegungen seiner Muskeln zu ignorieren.
Er wirkte
nicht überzeugt. »Vermutlich glauben Sie das wirklich.«
Sie
seufzte. »Wenn alle Ärzte so engstirnig sind wie Sie, ist es ein Wunder, daß es
ihnen jemals gelungen ist, Diphtherie und Kinderlähmung zu besiegen.«
Sie hatte
Jonathans ungeteilte Aufmerksamkeit. »Was haben Sie gesagt?«
»Diphtherie
und Kinderlähmung.« Sie genoß es, die Oberhand zu besitzen. »Sie sind so gut
wie verschwunden.«
Jonathan
blieb skeptisch, als er sich setzte.
Elisabeth
war ermutigt. »Sie sind im falschen Jahrhundert geboren, Doc«, sagte sie
freundlich. »Im zwanzigsten Jahrhundert hat die Medizin mehr Fortschritte
gemacht als in der
Weitere Kostenlose Bücher