Linda Lael Miller
in einem Sarg
eingeschlossen zu sein. »Du hättest vorher mit mir sprechen sollen, bevor du
das Pony für Rose Marie gekauft hast«, sagte sie, aus dem verzweifelten Wunsch
heraus, die Themen zu umgehen, die Eli mit ihr besprechen wollte.
Er drehte
sich nicht zu ihr um. »Unser Sohn ist tot«, sagte er mit einer Stimme, die ganz
sanft klang, in der aber dennoch Trauer mitklang.
Bonnie
umklammerte haltsuchend eine Sessellehne. »Eli, bitte!«
Ganz
unvermittelt wirbelte er herum, sein Gesicht verzerrt von einem Schmerz, den er
schon viel zu lange mit sich herumtrug. »Kiley ist tot«, wiederholte er so
langsam und betont, daß Bonnie das Gefühl hatte, von jedem seiner Worte
gesteinigt zu werden.
Sie schloß
die Augen, aber die Tränen waren nicht mehr aufzuhalten. »Ich bitte dich, mir
das zu ersparen, Eli. Nicht schon wieder. Ich habe genug getrauert.«
»Mag sein –
aber ich nicht!« entgegnete er, und obwohl er Rose zuliebe leise sprach, hörten
sich seine Worte wie ein gequälter Aufschrei an. »Ich nicht!«
Bonnie
schwankte und riß entsetzt die Augen auf, als Eli sie am Arm packte und zu den
Terrassentüren zog. Er öffnete eine und stieß Bonnie hinaus in den Garten, aber
es dauerte sehr lange, bis er die Tür wieder schloß und sich zu Bonnie
umdrehte.
Ein
merkwürdig geistesabwesender Blick lag in seinen Augen, er schien seine frühere
Frau gar nicht zu sehen. »Gott im Himmel«, flüsterte er heiser, »nichts hat mir
je so weh getan, wie meinen Sohn sterben zu sehen und nichts tun zu können, um
ihm zu helfen!«
Bonnies
Knie versagten ihr den Dienst, sie sank auf eine Marmorbank und starrte auf
Genoas gepflegte Rosenstöcke. Doch statt der Rosen sah sie sich – in New York,
wie sie nach dem Besuch ihres Lieblingstheaters, noch ganz erfüllt von der
gelungenen Aufführung einer berühmten Komödie, nach Hause kam.
Die
Haushälterin, Mrs. Perkins, war ihr auf der Treppe begegnet, und Bonnie hatte
sofort gespürt, daß etwas Schreckliches geschehen war. Sie war an Emma Perkins
vorbei die Treppe hinaufgestürmt, an dem Zimmer vorbeigelaufen, das sie mit Eli
teilte, und ins Kinderzimmer gestürzt.
Eli hatte
dort im Schaukelstuhl gesessen, das Baby im Arm, und sich geschaukelt.
Unaufhörlich. Vor und zurück. Vor und zurück. Als er endlich den Blick zu
Bonnie erhob, waren seine Augen ohne jeden Ausdruck gewesen.
»Wo warst
du?« hatte er gefragt, mit einer Stimme, die so hohl und leer gewesen war wie
seine Augen. Bonnie hatte nicht geantwortet, sie war zu betroffen gewesen. Als
sie die Arme nach ihrem Sohn ausstreckte, hatte Eli ihn nur noch fester an sich
gepreßt.
Noch heute,
fast drei Jahre später, konnte Bonnie den Schrei hören, den sie damals
ausgestoßen hatte und der auch jetzt wieder in ihrer Kehle aufstieg. Sie
schluckte und wischte mit dem Ärmel ihres schlichten Baumwollkleids die Tränen
ab.
Der innere
Kampf, den Eli mit seinen Gefühlen ausfocht, wühlte auch Bonnie auf. Hilflos
schaute sie zu, wie er sich bemühte, Gefühle zu unterdrücken, die sich nicht
länger im Zaum halten ließen.
Von seiner
inneren Erregung angetrieben, begann er wie ein gereizter Löwe auf der Terrasse
auf und ab zu laufen und kämpfte mit sich wie ein Besessener. Aber sein
Gesicht, das immer mehr zu verfallen schien, zeigte, daß er den Kampf verlor.
Endlich
hörte er mit seiner ziellosen Wanderung auf, warf den Kopf zurück und stieß
einen kehligen Schrei aus, der seine ganze Qual und seinen Zorn verriet. Es war
fast so, als sei Kiley gerade noch einmal in seinen Armen gestorben.
Unwillkürlich
stand Bonnie auf und ging zu Eli, schloß ihn in die Arme und hielt ihn fest
umfangen, als er weinte. Schweigend und vom gleichen Elend beherrscht wie er,
teilte sie seinen Schmerz.
Viel
später, als Elis Schmerz seine erste Heftigkeit einbüßte und in ein heilsames
Schweigen überging, spazierten sie Arm in Arm zum Teich hinunter. Obwohl es längst
dunkel war, erhellte der Vollmond den schmalen Pfad mit seinem silbernen
Schein.
Es war
schließlich Eli, der das erste Schweigen brach. Seine Stimme klang noch immer
rauh vom Weinen. »Ich kann Rose nicht auch noch verlieren«, murmelte er.
»Sie ist ein
sehr gesundes Kind«, entgegnete Bonnie tröstend.
»Das meinte
ich nicht.« Seine goldbraunen Augen waren die eines Fremden, genau wie in jener
schrecklichen Dezembernacht vor drei Jahren. »Ich möchte, daß meine Tochter
unter meinem Dach lebt. Bei mir.«
Bonnies
Hand glitt kraftlos von Elis Arm. »Es
Weitere Kostenlose Bücher