Linda Lael Miller
meines Vaters in einem Zustand schlimmster
Vernachlässigung vor. Und über der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift > Firmenladen der McKutchen Enterprises < !«
In einer
Kurve erhellte das Licht einer Straßenlaterne Elis Gesicht. Er versteifte sich
auf seinem Sitz, um nicht in Bonnies Ecke hinüberzurutschen. »Das klingt, als
hätte dein verehrter Vater den Laden selbst erbaut. Aber falls du das vergessen
haben solltest – er war ein Geschenk meines Großvaters. Eine Art Brautpreis,
könnte man wohl sagen.«
»Die
McKutchen Enterprises geben und nehmen – ist es das, was du damit sagen
willst?«
In diesem
Augenblick hielt die Kutsche vor Bonnies Laden.
»Mein Gott,
Frau, mit dir kann man einfach nicht reden!« donnerte Eli. »Das wollte ich
überhaupt nicht damit sagen! Ich versuche nur, deine Bindung an diesen
verdammten Laden zu begreifen!«
»Das
würdest du nie verstehen«, flüsterte Bonnie, bevor der Kutscher die Tür öffnete
und ihr beim Aussteigen behilflich war.
Die warmen
Lichter im ersten Stock über dem Laden vermittelten ihr das Gefühl von
Sicherheit und langentbehrter Wärme. Sie würde nach ihrer kleinen Tochter
sehen, ein paar Worte mit Katie wechseln und eine Tasse Tee trinken. Dieser
furchtbare Tag mit all seinen unangenehmen Überraschungen war endlich vorbei.
Oder
vielleicht auch nicht. Denn Eli stand in der offenen Tür der Kutsche und machte
keine Anstalten, sich wieder zu setzen. »Bonnie ...«
Es kostete
sie große Anstrengung, sich zu ihm umzudrehen; sie war froh, daß die Dunkelheit
den Schmerz verbarg, der sich auf ihrem Gesicht widerspiegelte. »Bitte geh«,
sagte sie leise.
Eli
zögerte, dann zog er sich in das dunkle Innere der Kutsche zurück und gab dem
Fahrer das Zeichen abzufahren.
Bonnie
begab sich zur Seite des Gebäudes und stieg die Außentreppe hinauf. Katie, die
über ein dickes Buch gebeugt in der Küche saß, schaute lächelnd auf. »Sie sehen
müde aus, Madam. Ich habe Tee aufgebrüht. Aber vielleicht sollten Sie lieber
gleich ins Bett gehen.«
Bonnie
hängte ihr Cape über einen Haken an der Tür und dachte an ihre erste Begegnung
mit Katie Ryan. Sie hatte sie im Zug gesehen, damals, als sie nach Northridge
zurückkehrte. Katie war mit ihrer Familie unterwegs gewesen, Varietékünstlern,
die im Pompeii Theater auftreten sollten. Als ihre Eltern weiterzogen, hatte
Katie sich geweigert, sie zu begleiten, und in Genoas Haus nach einer Stellung
gefragt.
Bonnies
Schwägerin hatte das Mädchen auf Anhieb in ihr Herz geschlossen, genau wie
Bonnie selbst, und sie als Gesellschafterin eingestellt. Als dann Rose Marie
zur Welt kam, wurde Katie zu ihrer Kinderschwester ernannt. Genoa zahlte die
Hälfte ihres Lohns, was Bonnies Stolz zwar beträchtlich verletzte, aber im
Augenblick nicht zu umgehen war.
Bonnie
schenkte sich Tee ein. »Wie geht es Rose? Hat sie brav gegessen?«
Katie
nickte. Ein wenig schuldbewußt, fand Bonnie. »Es geht ihr gut, Madam, und sie
hat gegessen.«
»Aber?«
Für einen
Moment schlug Katie den Blick nieder. »Ihr Papa hat sie gefüttert«, gestand sie
leise. »Rose fühlte sich vom ersten Augenblick an sehr stark zu ihm hingezogen,
und ich wußte nicht recht, was ich dagegen tun sollte ...«
Bonnie
setzte sich zu dem Mädchen an den Küchentisch. »Schon gut, Katie«, sagte sie
besänftigend. »Es war wohl unvermeidlich, daß Eli Rose sehen und sie ...
erkennen würde.«
»Er wußte
überhaupt nichts von ihr, nicht wahr?« fragte Katie mit dem Anflug eines
Lächelns.
Bonnie
konnte sich gut vorstellen, daß es ein köstlicher Anblick gewesen sein mußte,
einen so großen Mann wie Eli ein Kind füttern zu sehen, doch sie verspürte auch
einen Stich der Eifersucht. »Doch, er wußte es«, antwortete sie, verschwieg
Katie jedoch, daß Eli geglaubt hatte, Rose Marie sei das Kind eines anderen
Mannes.
Katie
errötete. Trotz ihrer Bühnenerfahrung war sie eigentlich eher schüchtern, und
wahrscheinlich bereute sie schon, Eli überhaupt erwähnt zu haben. Sie klappte
ihr Buch zu und stand auf. »Ich gehe jetzt zu Bett«, sagte sie. »Miss Rose wird
sicher schon früh erwachen.«
Bonnie
stellte ihre Tasse in die Spüle und trat ans Fenster, das auf die Hauptstraße
hinausging. Ein halbes Dutzend rauhbeinig aussehender Männer schlenderte unten
vorbei: selbst in der Dunkelheit war zu erkennen, daß sie stark betrunken
waren. Was sie miteinander redeten, war natürlich nicht zu verstehen, aber ihre
Stimmen klangen mürrisch und
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