Linda Lael Miller
auch,
als verhielte es sich so.
»Guten
Morgen, Mrs. McKutchen«, erwiderte Menelda verlegen und schaute zu Rose Marie
hinüber, die auf ihrem hohen Stühlchen saß und mit ihrer Lieblingspuppe
spielte. Beim Anblick des Kindes tauchte leise Wehmut in Mrs. Sneeders Augen
auf.
»Was kann
ich für Sie tun?« erkundigte sich Bonnie freundlich.
»Es handelt
sich um meine Rechnung«, sagte Menelda nach langem Schweigen und schaute sich
hastig um für den Fall, daß sich irgendwelche Mitglieder ihres
Freitagnachmittagsclubs in der Nähe befinden sollten. »Ich kann Ihnen diese
Woche nichts bezahlen, aber meine Kleine braucht Hustensaft ...«
Bonnie nahm
eine große Flasche der verlangten Medizin aus dem Regal und überreichte sie
schweigend Menelda. Die Tatsache, daß sie am hellichten Tag in ihrem Laden
erschienen war, vor allem nach den Ereignissen vom Tag zuvor, bewies nur, wie
verzweifelt diese Frau sein mußte.
Menelda
nahm die Flasche und schluckte beschämt. Sie schlug die Augen nieder, und in
ihren Wangen stieg eine ärgerliche Röte auf. »Man sollte meinen, mein Jim
verstünde besser mit seinem Geld umzugehen! Es wird von Streik geredet, und
unsere Zoe ist so krank ... Aber er geht hin und verschwendet einen halben
Tageslohn darauf, mit einer Dirne zu tanzen!«
Die
scharfen Worte verletzten Bonnie, wie es beabsichtigt war, aber was konnte sie
darauf entgegnen? Menelda hatte ja recht. Es war falsch von Jim Sneeder, seinen
Lohn auf diese Weise zu vergeuden, und Bonnie hätte nicht von seiner Dummheit
profitieren dürfen.
Aus diesem
Bewußtsein heraus schwieg sie weiter, als Menelda sich abwandte und grußlos
aus dem Laden hinausging.
Unmittelbar
darauf trat Webb Hutcheson ein. Er sah ausgesprochen gut aus in seinem Anzug
aus feinem Tuch und mit dem eleganten Hut und dem stattlichen Schnurrbart.
Während er den Hut ablegte, schaute er durch das Fenster Menelda nach.
»Ich hörte,
daß ich gestern eine Schlacht verpaßt habe«, stellte er lächelnd fest. »Vor dem
Brass Eagle.«
»Sie sind
ein schlechter Journalist, Mr. Hutcheson. Sie hätten dabei sein sollen«,
antwortete Bonnie. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und tat, als ordnete sie
die Flaschen im Regal.
Aber ihr
war bewußt, daß Webb ganz nahe war und vermutlich gleich auf der anderen Seite
der Theke stand. »Ich habe auch erfahren, daß Ihr Mann in der Stadt ist.«
Bonnie
versteifte sich, hielt jedoch nicht in ihrer Arbeit inne. »Mein früherer Mann«,
berichtigte sie ihn.
Webb
seufzte nachsichtig. »Wollen Sie nicht aufschreiben, was Menelda Sneeder gerade
auf Kredit gekauft hat?«
Das
sinnlose Geklimper der Flaschen brach abrupt ab; Bonnies Schultern sackten
herab, sie ließ den Kopf hängen. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich nicht
in meine Angelegenheiten mischen würden, Mr. Hutcheson. Menelda brauchte die
Medizin und hatte nicht das Geld, dafür zu zahlen.«
»Natürlich«,
entgegnete Hutcheson gelassen. »Aber gestern war sie noch bereit, Sie mit ihrer
Axt in Stücke zu hacken!«
Da drehte
sich Bonnie zu Webb um, die Augen voller Tränen. »Sie hätte das Geld vielleicht
gehabt, wenn ihr Mann nicht mit mir getanzt hätte!«
Webb
schüttelte den Kopf. »Darüber haben wir schon oft gesprochen, Bonnie. Ich habe
vollstes Verständnis für Ihre Lage, aber ich kann nicht behaupten, daß ich Ihr
Tanzen gutheiße.«
Rose liebte
Webb, weil er sich immer, wenn er kam, mit ihr beschäftigte. Auch jetzt lachte
sie ihn an und streckte bittend die Ärmchen nach ihm aus.
Webb nahm
Rose Marie auf den Arm und hob sie dann hoch über seinen Kopf. Vor Entzücken
lachte sie und jauchzte. Ausgerechnet diesen Augenblick wählte Eli, um
hereinzukommen.
Seine
goldbraunen Augen verdüsterten sich, ein harter Zug erschien um seinen Mund.
Aber bevor er etwas sagen konnte, überraschte Rose sämtliche Anwesenden mit
ihrem Schrei: »Papa! Papa!«
Fast
augenblicklich ließ die Spannung in Elis Gesicht nach und wurde durch ein
strahlendes Lächeln ersetzt. »Hallo, Prinzessin«, sagte er und breitete seine
Arme aus.
Webb
übergab ihm wortlos das Kind. Der bestürzte Blick in seinen blauen Augen ließ
Bonnie sich noch unglücklicher fühlen. Er hatte ihr klar und deutlich zu
verstehen gegeben, daß er sie gern geheiratet und Rose Marie wie seine eigene
Tochter aufgezogen hätte. Diese plötzliche Begegnung mit Eli mußte ein
schwerer Schock für ihn sein.
Nach einem
kurzen inneren Kampf fand Bonnie ihre Stimme wieder und stellte die beiden
Männer
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