Linda Lael Miller
einiger Entfernung von sich bemerkte und sah, daß
sie ihn mit einer Mischung aus Furcht und Zuneigung beobachtete.
Zuerst
sprachen die Geschwister nicht, dann brach Eli das Schweigen. »Wenn du mir
jetzt sagen willst, Genoa, daß es meine Pflicht gewesen wäre, hier zu sein ...«
Als er
verstummte, kam sie zu ihm herüber und nahm seine Hand. »Du bist jetzt endlich
heimgekehrt, nur das ist wichtig.« Dann seufzte sie. »Was wirst du unternehmen,
Eli? Hinsichtlich der Probleme in den Hüttenwerken, meine ich.«
Eli war
müde. Nach einer anstrengenden Zugfahrt quer durch das Land hatte er die halbe
Nacht mit Bonnie getanzt und die andere Hälfte damit verbracht, ihren Verlust
zu betrauern. Bevor er Entscheidungen bezüglich der Werke treffen konnte,
mußte er zuerst mit den Arbeitern sprechen und dann mit Seth und mit Forbes
Durrant. Außerdem war es unerläßlich, sich persönlich in den Hüttenwerken
umzusehen und die Bücher zu prüfen. »Seth hatte mich vor Durrant gewarnt«,
sagte er, statt auf Genoas Frage zu antworten.
»Ich habe
nie verstanden, wie Großvater diesem Mann vertrauen konnte«, sagte Genoa. »Er
nannte Forbes immer einen > Geizkragen < .«
Als Eli
jetzt daran dachte, wie Bonnie ihn wegen des Ladens ihres Vaters beschuldigt
hatte, stieg kalte Wut auf Forbes Durrant in Eli auf. Sich diesen bescheidenen
Laden anzueignen, der Bonnie so unendlich teuer war, mußte Forbes' eigene
Entscheidung gewesen sein, denn Eli hatte nichts davon gewußt. »Großvater hat
mir oft genug gesagt, man müsse Forbes im Auge behalten. Aber ich habe nicht
auf ihn gehört, weil ich mit anderen Dingen beschäftigt war.«
»Du meinst,
Großvater hat ihm gar nicht vertraut?« fragte Genoa erstaunt.
Trotz allem
mußte Eli lachen. »Er sagte mir, ein Mensch mit einem so scharfen Verstand wie
Forbes könne sich sowohl zum Betrüger entwickeln wie auch ein loyaler
Mitarbeiter sein. Ich vermute, daß mir die Firmenbücher den Beweis liefern
werden, für welche Richtung Durrant sich entschieden hat.«
»Ich hätte
etwas unternehmen sollen!« meinte Genoa schuldbewußt. »Mir war bekannt, daß
Forbes über seine Verhältnisse lebte! Wer könnte sich mit seinem Gehalt auch
schon erlauben, ein Gebäude wie den Brass Eagle Saloon zu errichten!«
Das
ernüchterte Eli wieder, denn es erinnerte ihn an den Ballsaal und die Frau,
die dort jeden Abend tanzte – als Gegenleistung für einen Dollar pro Walzer.
Dagegen würde er etwas unternehmen müssen. Der Gedanke, daß jeder Kerl, der
einen Dollar besaß, sie in die Arme nehmen durfte, war ihm unerträglich. Am
Abend zuvor hatte er alle ihre freien Tänze aufgekauft, aber das war auf lange
Sicht natürlich keine Lösung. »Großvaters blonder Goldjunge wird sich an den
Firmengeldern bereichert haben, so wie es aussieht. Aber das zu beweisen,
dürfte nicht ganz einfach sein.«
»Du wirst
ihn doch auffordern, seine Kündigung einzureichen?«
Eli warf
einen Stein ins Wasser. »Irgendwann werde ich ihn feuern müssen. Aber im
Augenblick ziehe ich es vor, ihn im Glauben zu belassen, ich sei zu beschäftigt
mit Bonnie, um mich mit den Hüttenwerken zu befassen.«
Genoa war
schockiert. »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Eli! Der Mann bestiehlt uns
vermutlich schon seit Jahren, und es gehen sogar Gerüchte um, daß er Schläger
angeheuert hat, um die Gewerkschafter und die Arbeiter, die sie unterstützen,
aus der Stadt jagen zu lassen!«
Eli warf
einen letzten Stein in den Teich. »Die Verantwortung für diese Probleme liegt
bei mir, Genoa, und ich werde sie lösen. Aber es wird Zeit in Anspruch nehmen,
und ich werde es so erledigen, wie ich es für richtig halte.«
»Hoffentlich
ist es dann noch nicht zu spät!« entgegnete Genoa düster, bevor sie sich
abwandte, um zum Haus zurückzugehen.
Menelda Sneeder betrat den
Kolonialwarenladen mit sichtlichem Widerstreben, doch Bonnie brachte trotz
ihrer Auseinandersetzung vom Tag zuvor Verständnis für sie auf. Nach Forbes'
Ansicht war es gerade diese großzügige Einstellung, die Bonnies Geschäft an den
Rand des Bankrotts gebracht hatte.
»Guten
Morgen, Mrs. Sneeder.« Bonnie hatte ihr Haar zu einem weichen Knoten am
Oberkopf zusammengesteckt und trug ein schlichtes Kleid aus braunem Kattun. Mit
dieser Aufmachung und ihrem völlig ungeschminkten Gesicht hätte sie ein völlig
anderer Mensch sein können als jene Frau, die Abend für Abend im Brass Eagle
für Geld mit Männern tanzte. Und Menelda und sich selbst zuliebe tat sie
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