Linda Lael Miller
dem Elend,
das in seiner Familie herrschen mußte.
Bonnie
lächelte ihn an. »Was kann ich für dich tun?« »M-Mr. McKutchen hat mich
hergeschickt. E-er hat Mr. Durrant niedergeschlagen, direkt hinter dem Werk ...
weil Mike Farley von einem Waggon zerquetscht worden ist ... Ich soll nicht
mehr an den Schmelzöfen arbeiten, sagt Mr. McKutchen. Ich soll hier Waren
sortieren und ausfegen und ...«
Bonnies
Lächeln war schon lange verblaßt, jetzt hob sie beide Hände. »Moment – das
verstehe ich nicht. Beruhige dich und sprich langsamer.«
»Mike
Farley ist tot. Eine Tonne Erz hat ihn unter sich begraben. Mr. McKutchen hat
mich hergeschickt und gesagt, daß ich hier zum gleichen Lohn arbeiten soll wie
in der Hütte ...«
In diesem
Augenblick kam Katie herein, offensichtlich aus der Leihbibliothek, denn sie
trug einen ganzen Stapel Bücher unter dem Arm. »Madam, es ist schrecklich! Bei
den Hüttenwerken hat es einen Unfall gegeben, und ein Mann ist umgekommen! Er
war mit Susan Farley verheiratet, und bei ihr haben jetzt die Wehen eingesetzt!
Sie wird eine Frühgeburt haben!«
Bonnie
griff bereits nach ihrem Schal. Sie kannte Susan Farley, eine schüchterne,
schlanke blonde Frau, die in einer der Katen in Patch Town lebte. Immer wenn
Mrs. Farley in den Laden kam, maß sie die ausgestellten Waren mit sehnsüchtigen
Blicken, kaufte jedoch nie etwas anderes als Zwiebeln und Kartoffeln. Bonnie
erinnerte sich heute noch an das Außergewöhnlichste, das Susan je erstanden
hatte: Zitronenbonbons für einen Penny.
»Ich gehe
zu ihr, um zu sehen, ob ich etwas für sie tun kann«, sagte sie zu Katie.
»Kümmere dich bitte um Rose und schließ den Laden ab, bevor du nach oben
gehst.«
Der Junge
zupfte an Bonnies Ärmel. »Entschuldigen Sie, Madam, aber ich soll hier arbeiten
...«
Was mochte
Eli sich bloß dabei gedacht haben, als er dieses Kind herschickte, in einen
Laden, der oft einen ganzen Tag lang nicht das geringste umsetzte? Aber das war
ein Rätsel, das später noch gelöst werden konnte. »Du wirst dich erst mal
gründlich waschen müssen, bevor du hier arbeiten kannst«, sagte Bonnie nicht
unfreundlich, bevor sie weitereilte in Richtung Patch Town.
Der
Stadtteil war so elend und verkommen wie immer. Die Hütte der Farleys war
leicht zu finden durch die Gruppe der Frauen in schäbigen Kattunkleidern, die
sich davon versammelt hatten und kopfschüttelnd das Unglück besprachen. »Wenn
das nicht unsere Bürgermeisterin ist!« bemerkte eine der Frauen mit einem
verächtlichen Blick auf Bonnie.
»Laß sie in
Ruhe, Jessie«, warf eine der anderen ein. »Mein Kind hätte oft gehungert, wenn
Mrs. McKutchen mir keinen Kredit in ihrem Geschäft gegeben hätte.«
»Wie in
aller Welt ist sie eigentlich Bürgermeisterin geworden?« wollte eine andere der
Arbeiterfrauen wissen, als Bonnie auf die Hütte zuging und ohne anzuklopfen
eintrat.
Die Kate
der Farleys war unglaublich klein, enthielt nichts außer einem winzigen Herd,
einem Tisch und einem Bett. An Haken an der Wand hingen Kleider, aus einem
Fünfpfundsack Mehl sah Bonnie eine Maus entwischen.
Rasch trat
sie an Susans Bett, wo bereits eine Frau stand, die sie zu trösten versuchte:
Genoa.
Elis
Schwester schaute nur flüchtig auf und streichelte Susans Hand, als eine neue
Wehe ihren mageren Körper erschütterte. »Endlich jemand, der die einfachsten
Anweisungen befolgen kann«, sagte sie. »Hol sauberes Wasser, Bonnie, und stell
es zum Kochen auf. Das Baby will hinaus – ob mit oder ohne unser
Einverständnis.«
Bonnie
rollte die Ärmel auf, nahm die zwei größten Töpfe aus dem Regal und ging
hinaus. Die Menge der Frauen teilte sich vor ihr, einige folgten Bonnie sogar,
als sie zum Brunnen ging und Wasser in die Töpfe pumpte.
»Geht es
Susan besser?« fragte die Frau, die vorher für Bonnie eingetreten war.
»Besser?«
warf eine andere zornig ein. »Es kann ihr nur schlechter gehen, nachdem
sie keinen Mann mehr hat, der für sie sorgt! Und da können noch so viele
elegante Damen herkommen und sich um sie bemühen – es wird nichts an Susans
Elend ändern!«
»Das wird bösen
Ärger nach sich ziehen, das könnt ihr mir glauben!« ließ sich eine andere Frau
vernehmen. »Die Gewerkschafter werden denen da oben die Hölle heiß machen und
unsere Männer zum Streik veranlassen. Und dann werden wir alle Hunger
leiden!«
Ohne das Gerede
zu beachten, kehrte Bonnie in die Hütte zurück. Genoa hatte ein Feuer in dem
kleinen Herd angezündet, aber da schon
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