Linda Lael Miller
Annabel, wie eine kalte Hand über ihren Rücken strich.
»Nein«, widersprach sie. »Da muß noch ein anderer sein, verstehst du? Jemand,
der vielleicht imstande ist, den anderen zum Ausbruch zu verhelfen.«
Gabriel
machte ein grimmiges Gesicht und umklammerte
Annabels Arm noch fester. »Vielleicht ist das der Grund, warum wir Charlie so
lange nicht mehr gesehen haben«, murmelte er.
»Vielleicht
ist er hinter dem Mann oder den Männern her, die der Falle entkommen sind.«
Annabel
nickte, und erst als Gabriel mit einem schmutzigen Daumen über ihre Wange
wischte, merkte sie, daß sie weinte.
16. Kapitel
Ein
harter Zug lag um
Gabriels Mund, als er mit Annabel vor dem Mineneingang stand. »Ich bringe Nicholas
zurück zur Ranch«, erklärte er, »und bevor du Einwände erhebst, laß dir gesagt
sein, daß ich darauf pfeife, ob du dein Einverständnis dazu gibst!«
Annabel war
sehr erleichtert, obwohl Gabriels autoritäre Art sie unter anderen Umständen
vermutlich sehr empört hätte.
»Fahr in
die Stadt zurück und packe seine Sachen«, fuhr er fort, während er einem seiner
Männer ein Zeichen machte, ihm sein Pferd zu bringen. »Ich komme nach, sobald
ich alles hier geregelt habe.«
Annabel
erwähnte gar nicht erst die Möglichkeit, daß Nicholas sich weigern könnte,
Parable – und vor allem Olivia Drummond – zu verlassen, weil sie wußte, daß es
Gabriel genausowenig kümmern würde wie sie selbst. Das mußten Nicholas und sein
Vater allein untereinander ausmachen.
So oder so
war es unvermeidlich: Nicholas würde heimkehren, und da sie in diesem
kritischen Moment auf keinen Fall von ihrem Sohn getrennt sein wollte, würde
auch sie zur Ranch zurückkehren.
Pflichtbewußt
fuhr Jeffrey Annabel zurück nach Parable, wo sie ihm hastig dankte, als sie vor
ihrem Haus ausstieg. Auf der Rückfahrt hatten sie sich wenigstens unterhalten,
und wenn auch nur über unwichtige und banale Dinge.
Wie Annabel
schon ganz richtig vermutet hatte, war Nicholas alles andere als froh über die
Aussicht, auf die Ranch zurückzukehren, wo er von Olivia getrennt sein würde,
aber er war nicht stark genug, um sich zu wehren, und als Gabriel ihn abholte,
konnte er nichts anderes tun, als für eine aussichtslose Sache zu plädieren.
Zum ersten
Mal seit ihrer Heimkehr erkannte Annabel sich selbst statt Gabriel in ihrem
Sohn und war belustigt. Sie hatte Nicholas keinen Gefallen getan, als sie ihm
ihren Eigensinn und ihre Unabhängigkeit vererbt hatte, aber sie konnte
zumindest sicher sein, daß er nicht untätig zusehen würde, wie das Leben an ihm
vorüberflog.
Olivia, die
in den letzten Tagen etwas selbstbewußter geworden war, durch den ständigen
Umgang mit dem einen oder anderen McKeige vermutlich, ging sehr entschieden um
mit Nicholas, ignorierte sein Nörgeln und half Annabel, die wenigen Sachen
zusammenzupacken, die er mit in dieses Haus gebracht hatte – Rasierzeug, einen
Kamm, seine Lieblingsbücher und einige wenige Kleidungsstücke.
Gabriel,
der noch immer seine Arbeitskleidung trug, begleitete seinen Sohn zu dem Wagen,
der draußen auf der Straße stand, half ihm auf den Kutschbock und kehrte dann
zum Tor zurück, um mit Annabei zu
sprechen. Olivia blieb auf der Veranda und hielt sich in diskretem Abstand.
»Du wirst
auch zur Ranch kommen?« fragte Gabe Annabel.
Sie nickte.
»In ein, zwei Stunden«, antwortete sie. »Ich habe etwas mehr einzupacken als
Nicholas.«
Einen
Moment lang schaute Gabriel sie an, als versuchte er, sich über die Bedeutung
ihrer Worte klarzuwerden. »Ich schicke dir in ein paar Stunden einige meiner
Männer mit dem Wagen.«
»Ich werde
viel früher fertig sein, Gabriel McKeige«, erwiderte Annabel, »und ich brauche
auch keine Eskorte.«
Gabriel
schaute zu Nicholas hinüber, der resigniert und traurig auf dem hohen
Kutschbock saß, und richtete den Blick dann wieder auf Annabel. »Dieses Haus
hier ist dein Eigentum; es steht dir frei, hier zu befehlen, was du willst.
Aber auf der Ranch bin ich derjenige, der die Befehle gibt. Du wirst Männer
haben, die dich begleiten werden, und das ist mein letztes Wort in dieser
Angelegenheit.«
Annabel
seufzte. »Na schön«, sagte sie, aber hinter diesem Zugeständnis verbarg sich
eine kleine, heiße Freude, die sie nicht einmal sich selber eingestanden hätte.
»Dann sehen wir uns zu Hause.«
Und dann
winkte sie dem stirnrunzelnden Nicholas, wandte sich ab und ging schnellen
Schritts zum Haus zurück. Olivia, sah sie, beobachtete sie
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